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ALJ 1/2016 Matthias ZuĂźner 57
C. Mögliche Alternativen
Art 130 Abs 3 B-VG spricht zusammengefasst davon, dass der Behörde dann ein Ermessen zu-
kommt, wenn das Gesetz der Behörde dieses selbst einräumt. Eine sinngemäße Textierung wies
auch schon Art 130 Abs 2 aF B-VG auf. Daraus schlieĂźt ein Teil der Lehre109, dass der Bestand
eines allfälligen Ermessens immer, aber eben auch nur dann anzunehmen ist, wenn der Gesetz-
geber die Letztentscheidung der Verwaltung intendiert hat – und zwar grundsätzlich unabhängig
davon, wo der entsprechende Spielraum in normstruktureller Hinsicht zu verorten ist. Auch wenn
§ 7 StWG 1968 und die korrespondierenden Bestimmungen der StarkstromwegeG der Länder
der Starkstromwegerechtsbehörde keine vordefinierten Optionen im Rechtsfolgenbereich einer
Norm bereitstellen, stellt sich damit die vom VwGH – zwar in an sich konsequenter Weise über-
gangene, aber – zu Unrecht unbeantwortet gelassen Frage, ob die zuständigen Gesetzgeber der
Starkstromwegerechtsbehörde nicht wenigstens auf Tatbestandsseite der Bewilligungstatbe-
stände Ermessen eingeräumt hat, weiter.
Stellt man sich dieser Frage, kommt man – wie so oft110 – auch im gegenständlichen Fall zu keinem
eindeutigen Ergebnis. Aus den Materialien zum StWG 1968 lässt sich zwar ableiten, dass der
Gesetzgeber mit dem öffentlichen Versorgungsinteresse bewusst einen unbestimmten Geset-
zesbegriff verwendet, um der Dynamik der Regelungsmaterie gerecht zu werden.111 AuĂźerdem
lässt sich dem Normtext entnehmen, dass der Gesetzgeber gerade der Behörde aufträgt, eine
Abstimmung mit bestimmten öffentlichen Interessen im Rahmen der Auflagenerteilung vorzu-
nehmen.112 Ob man daraus aber auch den Schluss ziehen kann, dass der Gesetzgeber die Behörde
gleichsam selbst zur letztverbindlichen Entscheidung ĂĽber die daraus resultierenden Entschei-
dungsspielräume berufen wollte, lässt sich dem Gesetz mE nicht mehr unmittelbar entnehmen.
In der Konsequenz müsste man das Vorliegen eines allfälligen Ermessens daher mangels eindeutig
nachweisbarer Intention des Gesetzgebers grundsätzlich verneinen, selbst wenn man die gesetz-
lichen Rahmenbedingungen berĂĽcksichtigt.113
Anderes kann nur gelten, wenn man nicht nur die Intention des Gesetzgebers zur Einräumung
einer Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung als maĂźgebliches Kriterium heranzieht, son-
dern auch funktionell-rechtliche Kriterien fĂĽr die Entscheidung ob des Vorliegens einer gesetzli-
chen Ermessenseinräumung für die Verwaltung zulässt, wie dies Teile der Lehre114 zunehmend
fordern. Ob und bejahendenfalls inwieweit man in einem solchen Fall dann tatsächlich noch vom
Nachweis einer entsprechenden Intention des Gesetzgebers und damit zugleich von der bloĂźen
Klärung einer Rechtsfrage sprechen kann,115 oder nicht schon von einer eigenständigen Ermes-
sensgewährung durch das rechtsanwendende Organ selbst ausgehen muss, setzt eine viel all-
109 Rill in Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht Art 18 B-VG Rz 62; Potacs, Devisenbewirtschaftung 156;
Grabenwarter, Verfahrensgarantien 323; Stoll, Ermessen2 62 ff, insb 64.
110 Vgl nur Fuchs in Holoubek/Lang 262.
111 Oben Kapitel III.A.
112 Oben Kapitel III.C.
113 Vgl dazu nur Grabenwarter in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht Art 130 Abs 2 B-VG Rz 8 mwN.
114 Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die
Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013) 127 (136 f); vgl auch schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der
Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit ers-
ter Instanz (2008) 65 (72 f). Vgl auch Fuchs in Holoubek/Lang 262 f und insb auch 264.
115 So wohl (auch) Fuchs in Holoubek/Lang 262.
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Austrian Law Journal
Band 1/2016
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2016
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 110
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal