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Austrian Law Journal, Band 1/2016
Seite - 87 -
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ALJ 1/2016 Mona Philomena Ladler 87 Selbst bei Unterstellung der Prämisse, dass sich der ISO-Standard 19600 zu einem Handels- brauch entwickelt, ist hieraus kein genereller Befolgungsdruck für alle Unternehmen ableitbar, ihr CMS in Einklang mit dem Standard zu gestalten. Ein Handelsbrauch dient der Vertragsausle- gung oder Vertragsergänzung; wird aber keine Zertifizierung vorgenommen, mangelt es bereits am auszulegenden bzw zu ergänzenden Vertragsverhältnis. B. ISO 19600 als Verkehrsanschauung? Der ISO-Standard 19600 könnte hingegen als Verkehrsanschauung allgemeine Geltung entfalten. Eine Verkehrsanschauung gibt eine bestimmte Werthaltung wieder und dient der Konkretisierung von Generalklauseln, wie der „Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers“ gem § 347 UGB.65 Der OGH hat sich in Bezug auf Ö-Normen dafür ausgesprochen, dass ein Fachunternehmer ver- pflichtet ist, sich die notwendigen Kenntnisse, einschließlich der einschlägigen Vorschriften wie Ö-Normen, zu verschaffen.66 Die ordentliche Sorgfalt gebietet es demnach, einschlägige Ö-Normen zu berücksichtigen und in Einklang mit diesen zu handeln. Handeln Geschäftsleiter üblicherweise in Einklang mit Ö-Normen, so können diese auch ohne gesetzliche oder vertragliche Verbindlicher- klärung faktisch gelten; dies, weil Ö-Normen den anerkannten Standard repräsentieren, welcher von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter zu wahren ist. Der anerkannte Stan- dard bildet damit den objektiven Sorgfaltsmaßstab. Eine Missachtung der Ö-Norm zieht als Konse- quenz einen Sorgfaltsverstoß gem § 25 GmbHG bzw § 84 AktG nach sich und kann haftungsbe- gründend sein. Ö-Normen können folglich de facto bindend sein, indem sie den materiellen Sorg- faltsmaßstab determinieren. Unterwerfen sich Unternehmen freiwillig dem ISO-Standard und erwerben eine Zertifizierung, wird dessen Geltung anerkannt. Geschäftsleiter sind folglich verpflichtet, jene Compliance- Maßnahmen zu ergreifen, die der Zertifizierung zugrunde gelegt wurden. Doch auch ohne Zertifi- kat könnte der ISO-Standard 19600 einen Befolgungsdruck auslösen. Handeln Geschäftsleiter üblicherweise in Anlehnung an den Standard, wird vermutet, dass bei Einhaltung des Standards pflichtkonform gehandelt wurde.67 Abweichendes Handeln kann eine Verletzung des objektiven Sorgfaltsmaßstabes bewirken, wenn von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter eine Beachtung des ISO-Standards erwartet würde. Der ISO-Standard 19600 wird hierdurch zur Handlungsmaxime. Werden vergleichbare Unter- nehmen mit einem Compliance Zertifikat ausgezeichnet bzw wird der ISO-Standard inhaltlich auch ohne Zertifizierung umgesetzt, determiniert dies den üblichen Sorgfaltsmaßstab. Einem gewissenhaften Geschäftsleiter ist es abzuverlangen, den relevanten ISO-Standard zu kennen und entsprechend zu handeln. Wird von einem vergleichbaren Unternehmen üblicherweise eine Compliance-Zertifizierung erlangt, wird eine Zertifizierung de facto zwingend. Zumindest ist aber von einem inhaltlichen Gleichlauf auszugehen. MaW sind auch ohne Zertifikat die inhaltlichen Maßstäbe der Zertifizierung zu befolgen. Die Norm ISO 19600 könnte daher als Verkehrsan- schauung eine faktische Bindungswirkung entfalten. 65 Kramer/Rauter in Straube, WK § 346 Rz 26; Krejci, Unternehmensrecht4 25. 66 OGH 6. 8. 2015, 2 Ob 223/14d. 67 Scherer/Fruth, Der Einfluss von Standards, Technikklauseln und des „Anerkannten Standes von Wissenschaft und Praxis“ auf Organhaftung und Corporate Governance – am Beispiel der ISO 19600 (2015) Compliance-Management- system, CCZ 2015, 9 (14); vgl auch Strauss/Hiermann, Aufsichtsrat aktuell 2014/6, 9.
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Austrian Law Journal Band 1/2016
Titel
Austrian Law Journal
Band
1/2016
Autor
Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgeber
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Ort
Graz
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
19.1 x 27.5 cm
Seiten
110
Schlagwörter
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Kategorien
Zeitschriften Austrian Law Journal
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