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Austrian Law Journal, Band 1/2017
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ALJ 1/2017 Rechtsschutz gegen Akte der Kriminalpolizei 7 III. Die Rollenverteilung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach der StPO-Reform 2008 und ihre Bedeutung für den Rechtsschutz A. Grundlagen Erklärtes Ziel der Reform des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens war die Schaffung eines einheitlichen Rechtsschutzsystems, womit die genannten Probleme der Vergangenheit angehö- ren sollten.24 Mit § 106 StPO nF wurde das Rechtsmittel des Einspruches geschaffen, das gegen alle Akte der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren, unabhängig von deren Form, Rechtsschutz bieten sollte. Die (erneute) Teilaufhebung des § 106 Abs 1 StPO stellt die Konkurrenz der Rechtsschutzwege im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wieder her. Die Bemühungen des Gesetzgebers sind damit jedoch nicht vollständig auf ihren Ausgangspunkt zurückgeworfen. Die Abgrenzung der Rechts- schutzwege nach der durch die Teilaufhebung des § 106 Abs 1 StPO entstandenen Rechtslage knüpft ähnlich wie vor der StPO-Reform 2008 an die Zurechnung eines Aktes zu einer Behörde bzw einer Staatsgewalt an. Das Problem der Abgrenzung der Rechtsschutzwege hängt folglich weiterhin mit dem Problem der Abgrenzung von Kompetenzen zusammen. Zu beachten ist daher die gänzlich neue Rollenverteilung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, die die StPO-Reform 2008 brachte: An die Stelle der Konkurrenz der Kompetenzen des Untersuchungsrichters und der Sicherheits- behörde zur Setzung von Ermittlungsakten trat die – im Detail deutlich anders geartete – Konkur- renz der Kompetenzen der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft (§§ 99 Abs 1, 103 StPO).25 Grundsätzlich werden Ermittlungsmaßnahmen von der Kriminalpolizei gesetzt (§ 99 Abs 1 StPO). Daneben kann die Staatsanwaltschaft auch selbst Ermittlungen durchführen (§ 103 Abs 2 StPO);26 die Anwendung physischen Zwanges ist allerdings der Kriminalpolizei vorbehalten (§ 93 StPO e contrario); außerdem ist bei vielen Ermittlungsmaßnahmen ausdrücklich festgelegt, dass sie durch die Kriminalpolizei zu setzen sind (zB in §§ 110 Abs 2, 171 Abs 1 StPO).27 Abgesehen von ihrer eingeschränkten Kompetenz zur selbständigen Setzung von Ermittlungsakten obliegt es der Staatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren zu leiten. Zu diesem Zweck erteilt sie der Kriminal- polizei Anordnungen. Viele Zwangsmaßnahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens dür- fen von der Kriminalpolizei nur aufgrund einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung gesetzt wer- Funktion“ beschränkt blieben, ihnen also „kein eigenständiger Charakter“ zukam (VfSlg 19563/2011; VwGH 6.12.2007, 2004/01/0133; 7.10.2003, 2001/01/0311); die entsprechende Grenze wurde sehr uneinheitlich gezo- gen (sehr weit zB VfSlg 9585/1982; VwGH 23.9.1998, 97/01/1084; 7.10.2003, 2001/01/0311: zeitweilige Anhaltung bzw Durchsuchung von in zu durchsuchenden Räumlichkeiten aufhältigen Personen sowie sonstige Verhal- tensanordnungen an solche; sehr eng VfSlg 9491/1982; VwGH 15.11.2000, 2000/01/0065: Hausdurchsuchung an der Adresse eines Festzunehmenden zum Zwecke der Festnahme nicht von richterlichem Befehl umfasst; glei- ches Ergebnis bei VwGH 30.4.2009, 2007/05/0266: Ermittlung des Inhabers einer IP-Adresse zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Betroffenen eines gerichtlichen Haftbefehls). 24 Vgl bereits die rechtspolitischen Überlegungen von Frischenschlager/Grof, Aktuelle Probleme des strafrechtlichen Vorverfahrens, JBl 1988, 678 (687 f), die in der Regierungsvorlage zum StPRG 2004 zitiert werden (ErläutRV 25 BlgNR, 22. GP 143); vgl weiters Miklau/Szymanski, Strafverfahrensreform und Sicherheitsbehörden – eine Naht- stelle zwischen Justiz- und Verwaltungsrecht, in FS Pallin (1989), 249 (272 ff); Pleischl, Einführung in den Entwurf des Bundesministeriums für Justiz zur Reform des strafprozessualen Vorverfahrens, in Bundesministerium für Jus- tiz (Hrsg), Strafverfahren – Menschenrechte – Effektivität. Ministerialentwurf 2001 für eine Vorverfahrensreform (2001) 63 (81): „zentrales Anliegen des Entwurfes“ (gemeint war der Ministerialentwurf JMZ 578.017/10-II.3/2001). 25 Eingeschränkte Ermittlungskompetenzen besitzt außerdem das Gericht (§§ 104, 105 Abs 2 StPO). 26 Der Gesetzgeber dachte, als er der Staatsanwaltschaft die Kompetenz zu Ermittlungsmaßnahmen einräumte, vor allem an Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten durch dieselbe; vgl ErläutRV 25 BlgNR 22. GP 138. 27 Tauschmann in Schmölzer/Mühlbacher (Hrsg), StPO Strafprozessordnung Kommentar I (2013) § 103 Rz 7.
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Austrian Law Journal Band 1/2017
Titel
Austrian Law Journal
Band
1/2017
Autor
Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgeber
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Ort
Graz
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
19.1 x 27.5 cm
Seiten
56
Schlagwörter
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Kategorien
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