Seite - 15 - in Austrian Law Journal, Band 1/2017
Bild der Seite - 15 -
Text der Seite - 15 -
ALJ 1/2017 Rechtsschutz gegen Akte der Kriminalpolizei 15
richters einschreitende Gendarmeriebeamte nicht als Organ der Bezirkshauptmannschaft, sondern als
Organ des Landesgerichts Innsbruck gehandelt.“50
Der Staatsgewalt, der die Behörde angehört, wird dann der fragliche Akt zugerechnet. Dies er-
folgt regelmäßig unmittelbar und ohne weitere Begründung, zB wenn der VfGH ausführt, eine
Beschlagnahme sei „nicht der belangten Behörde, sondern dem den Auftrag erteilenden Gericht zuzu-
rechnen […] und als Akt der Gerichtsbarkeit der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen“.51
Die Zurechnung zu einer Behörde stellt in diesen Entscheidungen daher ein Zwischenergebnis
dar, das auf dem Weg zur Lösung der Frage, welcher Staatsgewalt ein Staatsakt zuzurechnen ist,
gewonnen werden muss.
In der Lehre52 sowie in der neuesten Rsp53 (in dieser Hinsicht nicht deutlich formuliert sind die
Entscheidungen bis 1970 sowie einige Entscheidungen nach 199054) wurden die Linien der Rsp
dahingehend vergröbert, dass nicht mehr die Zurechnung zur Sicherheitsbehörde bzw zum
Strafgericht gegenübergestellt wurde, sondern die Zurechnung zu den Staatsgewalten Justiz bzw
Verwaltung. Ergebnis war der oben zitierte Rechtssatz des VfGH über die Zurechnung zu einer
Staatsgewalt kraft Auftrags.
Die Vergröberung der Linien der Rsp dürfte auf folgendem Umstand beruhen: Für die Zulässig-
keit der Maßnahmenbeschwerde war die Zurechnung zur Staatsgewalt Verwaltung das einzig
entscheidende Moment. Die Zurechnung zu einer bestimmten Behörde war irrelevant, da in
allen Fällen der VfGH und der VwGH55 zur Entscheidung über Maßnahmenbeschwerden beru-
fen waren.56
Vereinfachend konnte daher davon gesprochen werden, dass die Deckung eines Aktes in einem
richterlichen Befehl zur Zurechnung des Aktes zur Staatsgewalt Justiz führte, mit der Folge, dass
die Maßnahmenbeschwerde unzulässig war. Genaugenommen hätte der Schluss lauten müssen:
Ein Sicherheitsorgan wurde gem § 26 Abs 1 StPO aF vom Untersuchungsrichter herangezogen,
um für den Untersuchungsrichter einen Akt zu setzen, der in dessen Kompetenz lag. Der Akt des
Sicherheitsorgans gilt daher als Akt des Untersuchungsrichters (ist dem Untersuchungsrichter
zuzurechnen). Der Untersuchungsrichter ist ein Organ des Gerichts; dieses wiederum gehört zur
50 VfSlg 6815/1972.
51 VfSlg 11961/1989. Ähnlich VfSlg 6829/1972; 9554/1982; 10669/1985.
52 Alle in FN 38, 39 genannten Literaturstellen.
53 VfSlg 18213/2007; 19281/2010; 19563/2011.
54 Bis 1970: VfSlg 1980/1950; 3916/1961; 4360/1963; 4954/1965; 4983/1965; 5012/1965; 6175/1970; nach 1990:
VfSlg 12625/1991; 18406/2008; 19709/2012. In diesen Entscheidungen wird nur allgemein ausgesprochen, dass
die Maßnahmenbeschwerde gegen „Maßnahmen im Bereiche der Gerichtsbarkeit“ (teilweise werden andere, gleich-
bedeutende Formulierungen verwendet) nicht statthaft ist, aber keine ausdrückliche Aussage getroffen, wonach
der fragliche Akt einer bestimmten Behörde bzw einer bestimmten Staatsgewalt zuzurechnen ist. Dass der frag-
liche Akt einer bestimmten Staatsgewalt zuzurechnen ist, ergibt sich jeweils aus dem Zusammenhang; ob die Zu-
rechnung zu einer Staatsgewalt aus der Zurechnung zu einer Behörde geschlossen wird, ist aufgrund der ver-
kürzten Formulierung nicht eindeutig erschließbar.
55 Mit BGBl 302/1975 (in Kraft getreten am 1.7.1976) wurden VwGH und VfGH ausdrücklich zur Prüfung von unmit-
telbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt berufen; davor verneinte der VwGH – im Gegen-
satz zum VfGH – eine solche Zuständigkeit in stRsp.
56 Heute ist dies anders, da sich die Zuständigkeit zur erstinstanzlichen Entscheidung über Maßnahmenbeschwerden
auf die Landesverwaltungsgerichte, das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesfinanzgericht aufteilt (Art 131
B-VG). Zu einer Abspaltung der Finanzstrafsachen des Bundes kam es bereits bei der Betrauung der UVS mit der
Kompetenz zur Entscheidung über Maßnahmenbeschwerden (Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG idF BGBl 685/1988, in
Kraft ab 1.1.1991).
zurück zum
Buch Austrian Law Journal, Band 1/2017"
Austrian Law Journal
Band 1/2017
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2017
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 56
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal