Seite - 27 - in Austrian Law Journal, Band 1/2018
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ALJ 2018 Christoph Kronthaler 27
A. Vereinbarung eines variabel verzinsten Kredits
Den Ausgangspunkt aller folgenden Überlegungen bildet im Wesentlichen der nachstehende
einfache Sachverhalt: Eine Bank gewährt einen Kredit in Höhe von 200.000 €. Der Kreditnehmer
und die Bank vereinbaren eine variable Verzinsung; zusätzlich zum Sollzins schuldet der Kredit-
nehmer eine im Verhältnis zur Kreditsumme prozentual festgelegte, einmalige Bearbeitungsge-
bühr3 und ein laufendes (wertgesichertes) Kontoführungsentgelt.4
Als Alternative zur variablen Verzinsung bestünde für die Vertragsparteien natürlich auch die
Möglichkeit, einen festen Zinssatz über die gesamte Laufzeit des Kreditvertrags hinweg zu ver-
einbaren („Fixzinskredit“);5 dies wird in der Praxis allerdings häufig von beiden Seiten nicht ge-
wünscht:6 Der Kreditnehmer möchte durch die Vereinbarung variabler Zinsen einen anfänglich
höheren Risikoaufschlag vermeiden7 und hofft, insgesamt weniger Zinsen bezahlen zu müssen.
Die kreditgewährende Bank kann zunächst das Unwägbarkeitsrisiko reduzieren, welches mit
einer langfristigen Zinskalkulation notwendigerweise einhergeht.8 Außerdem ermöglicht die Ver-
einbarung eines variablen Zinssatzes – zumindest in einem gewissen Ausmaß9 – eine Absiche-
rung gegen nachträgliche Kostensteigerungen im Hinblick auf die Refinanzierung.10
B. Zinsgleitklausel
Wollen die Parteien, wie im obigen Ausgangsbeispiel, eine variable Verzinsung, wird in der Praxis
häufig eine entsprechende Zinsgleitklausel in den Kreditvertrag aufgenommen.11 Der Zinssatz
wird in diesem Fall an einen veränderlichen Indikator gekoppelt (wie beispielsweise den „3-Monats-
3 Vgl allgemein zur Kreditbearbeitungsgebühr Bollenberger, Zulässigkeit von einmaligen Bearbeitungsentgelten
beim Kreditvertrag, ÖBA 2015, 396; G. Graf, Zur Zulässigkeit der Vereinbarung einer Bearbeitungsgebühr beim
Kreditvertrag, ÖJZ 2015, 293; OGH 6 Ob 13/16d = JBl 2016, 533. Bei einer in der Bankenpraxis durchaus üblichen
Bearbeitungsgebühr im Ausmaß von 2 % der Kreditvaluta schuldete der Kreditnehmer der Bank 4.000 € (Bollen-
berger, ÖBA 2015, 396, bezeichnet „ein bis drei Prozent des Kreditbetrags“ als üblich).
4 Das Kontoführungsentgelt wird im Normalfall an einen Index (zB VPI) gebunden, ist also ebenfalls variabel aus-
gestaltet und unterfällt daher § 6 Abs 1 Z 5 KSchG.
5 Vgl Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg), Bankrechts-Handbuch5 (2017) Rz 78/69. Beim „Fixzinskredit“
kann der Kreditgeber selbstverständlich keine laufende Anpassung des Zinssatzes vornehmen. In Ausnahmefäl-
len könnte freilich ein Rückgriff auf die Geschäftsgrundlagenlehre zulässig sein (vgl Koziol in Avancini/Iro/Koziol
[Hrsg], Österreichisches Bankvertragsrecht II [1993] Rz 1/31; Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol [Hrsg], Österreichi-
sches Bankvertragsrecht IV2 [2012] Rz 1/66).
6 Vgl Ch. Rabl, Anmerkung zu OLG Wien 5 R 35/17d, ÖBA 2017, 354 (356).
7 Ch. Rabl, ÖBA 2017, 356; ferner Ellenberger, Zinsanpassungsklauseln im Kreditgeschäft, in FS Hopt II (2010) 1754;
Omlor in Staudinger (Hrsg), BGB (2016) § 246 BGB Rz 50; BGH XI ZR 78/08 = BGHZ 180, 257 mit zahlreichen Nach-
weisen zur Vorjudikatur.
8 Ellenberger in FS Hopt II 1754; Omlor in Staudinger, BGB § 246 BGB Rz 50; BGH XI ZR 78/08 = BGHZ 180, 257 wie-
derum mit zahlreichen Nachweisen zur Vorjudikatur.
9 Ob der Unternehmer, also die kreditgewährende Bank, mit der Entgeltsänderungsklausel das Risiko nachträgli-
cher Kostensteigerungen tatsächlich wirksam minimieren kann, hängt in erster Linie davon ab, inwieweit der
veränderliche Bestandteil (Index, Referenzzinssatz etc) in der Entgeltsänderungsklausel die „internen Kostenfak-
toren“ korrekt abzubilden vermag.
10 Vgl Ellenberger in FS Hopt II 1754; Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch5 Rz 78/70; BGH
XI ZR 78/08 = BGHZ 180, 257. Ferner Told, Zinsgleitklauseln und Referenzzinssatz vor und nach Vorhersehbarkeit
des negativen Referenzniveaus, ÖBA 2017, 828 (830).
11 Vgl etwa Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht IV² Rz 1/68; Aichberger-Beig in Kletečka/Schauer,
ABGB-ON1.03 § 988 Rz 12/1; Omlor in Staudinger, BGB § 246 BGB Rz 51. Zur Alternative einer „Zinsanpassungs-
klausel“ Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht IV² Rz 1/69; Kronthaler, ÖJZ 2017, 101 f; aus deutscher
Sicht K. P. Berger in Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg), Münchener Kommentar zum BGB III7 (2016) § 488 BGB
Rz 173.
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Austrian Law Journal
Band 1/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 68
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal