Seite - 29 - in Austrian Law Journal, Band 1/2018
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ALJ 2018 Christoph Kronthaler 29
beharrten darauf, in jedem Fall die vereinbarte Marge zu erhalten. Andere waren bereit, den
Zinssatz bis auf 0 % zu senken. Auch in der Lehre besteht diesbezüglich keine Einigkeit.
II. Meinungsstand in Lehre und Judikatur
Im österreichischen Schrifttum24 geht man überwiegend davon aus, dass den Kreditgeber eine
„umgekehrte Zinszahlungspflicht“ gegenüber dem Kreditnehmer trifft, sobald der negative Refe-
renzzinssatz den Aufschlag mehr als aufgezehrt hat (Beispiel: -0,900 % 6-Monats-CHF-LIBOR +
0,500 % Aufschlag = -0,400 % [Negativ-]Zinsen). Nach der Gegenauffassung25 müsste der Kredit-
nehmer in jedem Fall den vereinbarten Aufschlag bezahlen (0,500 %). ME ist zwar eine vollständi-
ge „Aufzehrung“ des vereinbarten Aufschlags (0,500 %) und damit eine Nullverzinsung denkbar,
nicht jedoch eine Zahlungsverpflichtung des Kreditgebers (0,000 %).26
Der OGH hat sich im Wesentlichen der letzteren Auffassung angeschlossen und sich zunächst
einmal ausdrücklich gegen „Negativzinsen“ ausgesprochen.27 Auch könne nicht im Wege er-
gänzender Vertragsauslegung eine Sollzinsuntergrenze in Höhe des vereinbarten Aufschlags
eingezogen werden. Es mangle an einer planwidrigen Vertragslücke, weil sich sämtliche aufge-
worfenen Auslegungsprobleme mittels einer einfachen Vertragsinterpretation lösen ließen.28
Die von Teilen der Lehre29 vorgeschlagene ergänzende Vertragsauslegung zum Erhalt des ver-
einbarten Aufschlags sei auch deshalb unzulässig, weil diese wegen Unvereinbarkeit mit § 6
Abs 1 Z 5 KSchG zu einem gesetzwidrigen Ergebnis führte.30 Sieht die Zinsgleitklausel eine Un-
tergrenze („Zinsfloor“) vor, bedürfe es zugleich der Vereinbarung einer Obergrenze („Zins-
cap“).31
III. Exkurs: Rechtliche Rahmenbedingungen
Den gleich folgenden Überlegungen zur Vertragsauslegung sollen in einem kurzen Exkurs die
kreditrechtlichen Rahmenbedingungen vorangestellt werden:
Der Kreditvertrag ist ein entgeltlicher Darlehensvertrag über Geld (§ 988 HS 1 ABGB). Der Kreditge-
ber muss dem Kreditnehmer die vereinbarte Summe an Geld also im Grundsatz zur freien Verfü-
gung überlassen (vgl § 983 S 1 ABGB); der Kreditnehmer würde dann Eigentümer des Geldes (vgl
24 Kolba, VbR 2015, 50; Leupold, VbR 2015, 82; Haghofer, VbR 2016, 62; ders, Zur Wirksamkeit von Mindestverzin-
sungsklauseln, ecolex 2017, 291; Kriegner, ÖBA 2016, 507; Vonkilch in FS Eccher 1237; ders, Zak 2017, 227; idS
wohl auch L. Schmid, RdW 2017, 671.
25 Zöchling-Jud, ÖBA 2015, 318; Ch. Rabl, VbR 2016, 63; G. Graf, ZFR 2017, 367.
26 S bereits Kronthaler, Zak 2016, 128; ders, ÖJZ 2017, 101; ders, Zak 2017, 224; zust Aichberger-Beig in Kletečka/
Schauer, ABGB-ON1.03 § 988 Rz 12/1; Schopper, VbR 2017, 77.
27 OGH 10 Ob 13/17k = VbR 2017, 105; OGH 1 Ob 4/17w = ÖBA 2017, 510; OGH 8 Ob 101/16k = ZFR 2017, 393; OGH
8 Ob 107/16t = ZFR 2017, 556 (Ruhm); OGH 9 Ob 35/17p = ZFR 2017, 550; OGH 6 Ob 51/17v = ÖBA 2017, 867.
28 OGH 4 Ob 60/17b = ÖBA 2017, 422 (krit B. Koch); OGH 8 Ob 101/16k = ZFR 2017, 393; OGH 8 Ob 107/16t =
ZFR 2017, 556 (Ruhm); OGH 9 Ob 35/17p = ZFR 2017, 550; OGH 3 Ob 88/17p = ÖBA 2017, 861.
29 Insb Zöchling-Jud, ÖBA 2015, 323 ff und Ch. Rabl, VbR 2016, 63; anders aber Kronthaler, ÖJZ 2017, 103 ff; G. Graf,
ZFR 2017, 371 f (jeweils, wenngleich mit unterschiedlichem Ergebnis, für einfache Vertragsauslegung).
30 OGH 4 Ob 60/17b = ÖBA 2017, 422 (krit B. Koch); OGH 8 Ob 101/16k = ZFR 2017, 393; OGH 8 Ob 107/16t =
ZFR 2017, 556 (Ruhm); OGH 4 Ob 107/17i = VbR 2017, 174; OGH 9 Ob 35/17p = ZFR 2017, 550; OGH 6 Ob 51/17v =
ÖBA 2017, 867; OGH 3 Ob 88/17p = ÖBA 2017, 861.
31 OGH 4 Ob 60/17b = ÖBA 2017, 422 (krit B. Koch); OGH 8 Ob 101/16k = ZFR 2017, 393; OGH 8 Ob 107/16t =
ZFR 2017, 556 (Ruhm); OGH 4 Ob 107/17i = VbR 2017, 174; OGH 6 Ob 51/17v = ÖBA 2017, 867.
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Austrian Law Journal
Band 1/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 68
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal