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ALJ 2018 Christoph Kronthaler 33
Dieses Auslegungsergebnis, innerhalb dessen für „Negativzinsen“ kein Raum bleibt, kann mithilfe
der in Österreich einhellig vertretenen Vertrauenstheorie56 noch zusätzlich absichert werden:
Stellt man sich die Frage, ob der Kreditnehmer – gemessen am Maßstab eines redlichen und
verständigen Erklärungsempfängers57 – damit rechnen durfte, irgendwann vom Kreditgeber
„Zinszahlungen“ zu erhalten, gelangt man mE geradezu zwangsläufig zur Antwort, dass dies nicht
der Fall ist.58 Einem redlichen Kreditnehmer wird zudem bewusst sein, dass sich der Kreditgeber
niemals dazu bereit erklären würde, ihm „Negativzinsen“ zu bezahlen.59 Dafür spricht sicherlich
auch, dass die Zinsgleitklausel von ihrem Wortlaut und Zweck her ausschlieĂźlich das vom Kredit-
nehmer zu leistende Entgelt regeln soll.60
Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass die Zahlung von „Negativzinsen“ an den
Kreditnehmer nicht innerhalb des zwischen den Parteien konsentierten Pflichtenprogramms
liegt.
Die grundlegende Erkenntnis, dass sich die Vertragsteile typischerweise darĂĽber einig sein wer-
den, einen dem gesetzlich ausgestalteten Vertragstypus entsprechenden Kreditvertrag abzu-
schließen, bei dem der Kreditgeber – abgesehen von der Überweisung der Kreditvaluta – keine
weiteren Zahlungen an den Kreditnehmer leistet, weist fĂĽr alle weiteren Ăśberlegungen zur Ver-
tragsauslegung den Weg. Jedes Auslegungsergebnis, welches wir im Folgenden auch immer erzie-
len werden, muss sich aus zwingenden rechtsmethodischen Gründen innerhalb des „Regelungs-
rahmens“ bewegen, den der „natürliche Konsens“ der Parteien vorgibt.61
B. Auslegung der Zinsgleitklausel
Im allergrößten Teil der Kreditverträge, die vom OGH zu beurteilen waren, haben die Parteien
eine Zinsgleitklausel vereinbart, die ohne irgendwelche zusätzlichen Einschränkungen auf den
Referenzzinssatz verweist (zB „3-Monats-EURIBOR plus 2,000 % pa“).62
Die fehlende Beschränkung der Zinsgleitklausel nach unten und oben hin spricht mE eindeutig
dafür, dass die Vertragsparteien den Sollzinssatz prinzipiell63 unbeschränkt an die zukünftige
Entwicklung des Referenzzinssatzes koppeln wollten. Die (Un-)Vorhersehbarkeit der späteren
Negativentwicklung der Referenzzinssätze spielt hier wiederum keine entscheidende Rolle: Dies
schon deshalb nicht, weil die (langfristige) Entwicklung des Referenzzinssatzes fĂĽr die Parteien aus
56 Zur Vertrauenstheorie etwa Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 343; Heiss in Kletečka/
Schauer, ABGB-ON1.02 § 914 Rz 3.
57 Vgl etwa Koziol – Welser/Kletečka, BR I14 Rz 343; Rummel in Rummel/Lukas (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen Bür-
gerlichen Gesetzbuch4 (2014) § 863 Rz 14; Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 863 Rz 14; Pletzer in Kletečka/
Schauer, ABGB-ON1.02 § 869 Rz 3.
58 Kronthaler, Zak 2016, 129; ders, Ă–JZ 2017, 104; idS nunmehr auch Told, Ă–BA 2017, 834; OGH 10 Ob 13/17k =
VbR 2017, 105; OGH 1 Ob 4/17w = Ă–BA 2017, 510; OGH 8 Ob 101/16k = ZFR 2017, 393; OGH 8 Ob 107/16t =
ZFR 2017, 556 (Ruhm); OGH 9 Ob 35/17p = ZFR 2017, 550; OGH 6 Ob 51/17v = Ă–BA 2017, 867.
59 Kronthaler, Zak 2016, 129; ders, Ă–JZ 2017, 104; idS nunmehr Told, Ă–BA 2017, 834; OGH 10 Ob 13/17k = VbR 2017,
105; OGH 1 Ob 4/17w = Ă–BA 2017, 510; OGH 8 Ob 101/16k = ZFR 2017, 393; 8 Ob 107/16t = ZFR 2017, 556
(Ruhm); OGH 9 Ob 35/17p = ZFR 2017, 550; OGH 6 Ob 51/17v = Ă–BA 2017, 867.
60 Vgl Zöchling-Jud, ÖBA 2015, 322; OGH 1 Ob 4/17w = ÖBA 2017, 510 (jeweils auf den Wortlaut abstellend). Krit in
diesem Punkt Vonkilch in FS Eccher 1244.
61 Vgl allgemein Heiss in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 914 Rz 32 und insb 82; Bollenberger in KBB5 § 914 Rz 5;
besonders deutlich jĂĽngst OGH 10 Ob 13/17k = VbR 2017, 105.
62 Vgl OGH 8 Ob 101/16k = ZFR 2017, 393.
63 Die Grenze bildet der in Ausnahmesituationen in Betracht kommende Wegfall der Geschäftsgrundlage; vgl dazu
beim „Fixzinskredit“ oben FN 6.
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Austrian Law Journal
Band 1/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 68
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal