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Austrian Law Journal, Band 1/2018
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ALJ 2018 „Negativzinsen“ – Bestandsaufnahme und weitere offene Fragen 44 Geht man allerdings vom hier vertretenen funktionalen Verständnis des Zinsbegriffs aus, gelangt man geradezu zwangsläufig zu einem gegenteiligen Ergebnis. Der vom Kreditnehmer zu bezah- lende Sollzinssatz offenbart sich dann als ein einheitlicher Entgeltsbestandteil; die Zinsen sind als Kapitalnutzungsvergütung anzusehen. Die vom Kreditnehmer im Regelfall zusätzlich geschuldete Kreditbearbeitungsgebühr und das laufend zu entrichtende Kontoführungsentgelt sind funktio- nal gesondert zu betrachten. Ein weites Verständnis des Entgeltsbegriffs in § 6 Abs 1 Z 5 KSchG ist durch den Normzweck gerechtfertigt (extensive Auslegung138). Beurteilt man auch einen in zwei Teile aufgespaltenen Sollzinssatz als funktional abgrenzbaren Entgeltsbestandteil, verstößt die Zinsgleitklausel im Beispiel (s oben Pkt VI.B.3.) wegen Nichtein- haltung der gesetzlich geforderten Anpassungssymmetrie gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Der Kredit- vertrag bleibt aufrecht (Restgültigkeit des Vertrags); die im konkreten Anlassfall vereinbarte Zins- gleitklausel ist durch eine hypothetische zu ersetzen.139 5. Gesetzesumgehung? Wollte man der hier vorgeschlagenen, am Normzweck orientierten extensiven Auslegung nicht folgen, wäre ungeachtet dessen noch zu prüfen, ob durch die Aufspaltung des Sollzinssatzes in einen fixen und einen variablen Bestandteil die Anwendung von § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nicht einfach umgangen werden soll. Die Umgehung einer gesetzlichen Vorschrift kann nach § 879 Abs 1 ABGB zur Nichtigkeit einer Vertragsbestimmung führen, wenn der Normzweck (der sonst umgangenen Bestimmung) dies erfordert.140 Es kommt mithin entscheidend darauf an, ob die Teleologie von § 6 Abs 1 Z 5 KSchG einer Aufspaltung des Sollzinssatzes in einen fixen und einen variablen Teil entgegensteht. Da die Aufspaltung des Sollzinssatzes, wie gesagt, zum exakt selben wirtschaftlichen Ergebnis führt wie die ausdrückliche Vereinbarung einer Zinsuntergrenze,141 läge mE auch eine Gesetzesumge- hung vor.142 Es wäre überhaupt nicht einsichtig, eine Zinsgleitklausel mit ausdrücklich festgeleg- ter Untergrenze („Der vom Kreditnehmer zu bezahlende Mindestsollzinssatz beträgt 1,875 % pa.“) und eine solche mit aufgespaltenem Sollzins („1,875 % pa [fix] + 3-Monats-EURIBOR + 0,125 % pa [varia- bel]“) unterschiedlich zu behandeln. 138 Wenn der durch das in Frage stehende Rechtsgeschäft angestrebte Erfolg mit dem Normzweck einer bestimm- ten Gesetzesbestimmung unvereinbar zu sein scheint, dann gilt es nach zutreffender Auffassung zunächst ein- mal zu versuchen, die rechtsgeschäftliche Vereinbarung durch extensive Auslegung zu erfassen (Sack/Seibl in Staudinger (Hrsg), BGB [2017] § 134 BGB Rz 146). 139 Zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG etwa Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 6 Abs 1 Z 5 KSchG Rz 7; ferner Kathrein/Schoditsch in KBB5 § 6 KSchG Rz 11. 140 Koziol – Welser/Kletečka, BR I14 Rz 559; P. Bydlinski, AT7 Rz 7/41; G. Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 879 Rz 56; Heiss in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 916 Rz 4; zum deutschen Recht Sack/Seibl in Staudinger, BGB § 134 BGB Rz 144 ff; Armbrüster in MüKoBGB I7 § 134 BGB Rz 11; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts11 (2016) Rz 45/26. 141 Der OGH sieht die ausdrückliche Vereinbarung einer Untergrenze („Zinsfloor“) ohne gleichzeitige Festlegung einer Obergrenze („Zinscap“) zu Recht als mit § 6 Abs 1 Z 5 KSchG unvereinbar an; vgl OGH 4 Ob 60/17b = ÖBA 2017, 422 (krit B. Koch); OGH 8 Ob 101/16k = ZFR 2017, 393; OGH 8 Ob 107/16t = ZFR 2017, 556 (Ruhm); OGH 4 Ob 107/17i = VbR 2017, 174; OGH 6 Ob 51/17v = ÖBA 2017, 867. 142 Eine Umgehungsabsicht ist nach der hL und Rsp nicht zu fordern, vielmehr genügt eine objektive Normzweckver- letzung (Koziol – Welser/Kletečka, BR I14 Rz 560; Heiss in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 916 Rz 4; RIS-Justiz RS0016780; RIS-Justiz RS0016792; zB OGH 3 Ob 614/89 = SZ 63/50; anders aber OGH 12. 3. 1992 8 Ob 526/92 [unveröffentlicht]).
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Austrian Law Journal Band 1/2018
Titel
Austrian Law Journal
Band
1/2018
Autor
Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgeber
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Ort
Graz
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
19.1 x 27.5 cm
Seiten
68
Schlagwörter
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Kategorien
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