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ALJ 2018 „Negativzinsen“ – Bestandsaufnahme und weitere offene Fragen 52
unzweifelhaft als Konkretisierungsmaßstab.192 Dies gilt insb dann, wenn eine erhebliche Ungleich-
gewichtlage zwischen den Vertragspartner besteht.193
§ 879 Abs 3 ABGB gelangt auf eine Zinsgleitklausel zur Anwendung, weil sie „nicht eine der beider-
seitigen Hauptleistungen festlegt“, sondern bloß die nachträgliche Veränderung der ursprünglich
festgelegten Hauptleistung des Kreditnehmers ermöglichen soll.194
B. Vertragsauslegung
Die zur Vertragsauslegung angestellten Überlegungen (vgl oben unter Pkt IV.) gelten mE in selber
Weise für Kredite an Unternehmer oder die „öffentliche Hand“: Der von den Vertragsteilen kon-
sentierte vertragliche Regelungsplan sieht die Möglichkeit einer Zahlungsverpflichtung des Kre-
ditgebers an den Kreditnehmer in Form von „Negativzinsen“ nicht vor. Eine ergänzende Vertrags-
auslegung, nach welcher der Kreditnehmer zumindest Zinsen in Höhe des Aufschlags zu bezah-
len hat, scheidet ebenso aus, weil es an einer zu schließenden Vertragslücke mangelt und sich
eine Vertragsergänzung, worauf oben bereits hingewiesen wurde, nicht in Widerspruch zum
übereinstimmenden Parteiwillen setzen darf.195
Zu erinnern ist ferner an den Vertragszweck einer jeden Zinsanpassungsklausel: Durch eine solche
soll das ursprünglich vereinbarte vertragliche Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleis-
tung möglichst aufrechterhalten werden.196
C. Zinsanpassung und gesetzlicher Kontrollmaßstab
Außerhalb des Anwendungsbereichs des Verbraucherschutzrechts197 ist § 1056 ABGB (analog)
sedes materiae für ein einseitiges Zinsänderungsrecht der Bank.198
§ 1056 ABGB gestattet nach der mE zutreffenden hL199 für den Fall, dass einer der Vertrags-
partner (preis)gestaltungsberechtigt ist, im Zweifel nur eine Preisbestimmung nach billigem Er-
also insoweit eine Beweislastumkehr ein (Koziol – Welser/Kletečka, BR I14 Rz 436; Kletečka in Aicher/Holoubek [Hrsg],
Der Schutz von Verbraucherinteressen [2000] 133 [135 ff]). Nicht zu folgen ist mE der Auffassung, wonach der
Maßstab der gröblichen Benachteiligung strenger ist als jener der Sittenwidrigkeit (so aber Graf in Kletečka/
Schauer, ABGB-ON1.04 § 879 Rz 291).
192 Welser, Die Beschränkung der Vertragsfreiheit beim Konsumentengeschäft, JBl 1980, 1 (2 f); Krejci in Rummel II/43
§ 1 KSchG Rz 5; Apathy in Schwimann/Kodek Va4 § 1 KSchG Rz 6; Verschraegen in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05
§ 1056 Rz 4.
193 Iro, Anmerkung zu OGH 10 Ob 125/05p, ÖBA 2006, 922; Told, ÖBA 2017, 844; ebenso Verschraegen in Kle-
tečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 1056 Rz 4; vgl RIS-Justiz RS0016850.
194 Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 879 Rz 288; vgl auch Rummel in Dullinger/Kaindl, Bank- und Kapitalmarkt-
recht 2008, 81. Aus deutscher Sicht ebenso etwa Freitag in Staudinger, BGB § 488 BGB Rz 191; Fuchs in Ulmer/
Brandner/Hensen, AGB-Recht12 Zinsanpassungsklauseln Rz 10. OGH 4 Ob 112/04f = SZ 2004/125; OGH 10 Ob 125/05p =
ÖBA 2006, 916 (Iro); OGH 10 Ob 145/05d = RdW 2006, 764.
195 Kronthaler, ÖJZ 2017, 108.
196 ZB OGH 10 Ob 125/05p = ÖBA 2006, 916 (Iro); OGH 10 Ob 145/05d = RdW 2006, 764. Aus deutscher Perspektive
etwa Zschieschack in BeckOGK BGB § 307 BGB (Preisanpassungsklausel) Rz 1; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen,
AGB-Recht12 Zinsanpassungsklauseln Rz 18.
197 Dazu ausführlich Kronthaler, Anwendungsprobleme des Verbraucherschutzrechts, RdW 2017, 614.
198 OGH 10 Ob 125/05p = ÖBA 2006, 916 (Iro); OGH 10 Ob 145/05d = RdW 2006, 764; Rummel in Dullinger/Kaindl,
Bank- und Kapitalmarktrecht 2008, 79; Melber, ÖBA 2017, 818. Allgemein zur Zulässigkeit der Preisfestsetzung
durch einen Vertragspartner RIS-Justiz RS0019994.
199 Mayer-Maly in Klang IV/22 259; Mayrhofer, SchR AT 27; Apathy, ÖBA 2004, 739; Rummel in Dullinger/Kaindl, Bank- und
Kapitalmarktrecht 2008, 82; Aicher in Rummel/Lukas4 § 1056 Rz 9; Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 879 Rz 366;
Verschraegen in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 1056 Rz 13. IZm Zinsanpassungsklauseln Koziol in Avancini/Iro/Koziol,
Bankvertragsrecht II Rz 1/31; Zöchling-Jud, ÖBA 2016, 765; Melber, ÖBA 2017, 818.
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Austrian Law Journal
Band 1/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 68
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal