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ALJ 2019 Christoph Zehetgruber 62
her beleuchten. Die Aussetzung der Entscheidung der Geschworenen durch den Schwurgerichts-
hof nach § 334 StPO wirft in diesem Zusammenhang einige dogmatisch-systemische als auch
rechtspolitisch-rechtstatsächlich brisante Fragestellungen auf, welchen in der bisherigen Diskus-
sion wenig Raum gegeben wurde.
II. Historisch-dogmatische Verortung der Aussetzung im Gesamtgefüge
der StPO
Die Geschichte der österreichischen Geschworenengerichtsbarkeit ist eine durchaus wechselvolle.
Die sog Pillersdorfsche Verfassung vom 25.4.1848 markiert deren Beginn in Österreich, wenngleich
jene Spruchkörper zunächst allein für Pressesachen eingeführt wurden.3 Eine Zuständigkeit der
Geschworenengerichte für schwerste und politische Straftaten wurde bereits durch die oktroyierte
Märzverfassung und einfachgesetzlich durch die Strafprozessordnung 1850 in das österreichische
Recht inkorporiert, dann zur Gänze durch die Silvesterpatente 1851 sowie die Strafprozessordnung
von 1853 aus dem Rechtsbestand gestrichen, verfassungsgesetzlich mit dem Staatsgrundgesetz
über die richterliche Gewalt 1867 wiedereingeführt und durch die Strafprozessordnung 1873 (wel-
che hinsichtlich der Geschworenengerichte eine beinahe inhaltsgleiche Übernahme der Bestim-
mungen von 1850 darstellte) wiederum auch einfachgesetzlich verankert.4 Nach dem Zusammen-
bruch der österreich-ungarischen Monarchie schrieb das B-VG 1920 das Prinzip der Laienbeteili-
gung in der Strafrechtspflege durch Art 91 in zweifacher Ausführung (Geschworenen- und Schöf-
fenzuständigkeiten) im Verfassungsrang fest.5 Als Folge des Dollfuß-Putsches im Jahre 1933 wurde
die Geschworenengerichtsbarkeit mit der sog Mai Verfassung des Jahres 1934 für obsolet erklärt
und mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1934 einfachgesetzlich abgeschafft.6 Auch in der Zeit der
nationalsozialistischen Terrorherrschaft, welche in Österreich im Jahre 1938 begann, existierten
keine Geschworenengerichte iSd ersten Republik; eine Wiedereinführung derselben erfolgte
schließlich mit 1.1.1951, wobei einige Modifikationen zur Rechtslage vor 1934 vorgenommen wur-
den.7
Das Rechtsinstitut der Aussetzung der Geschworenenentscheidung durch einstimmige Entschei-
dung aller Berufsrichter (den Schwurgerichtshof)8 war – wie auch jenes der Monitur – bereits in der
schworenengerichtsurteile, JBl 2010, 73 [83 f]) und in der derzeit definierten Form sowie in Bezug auf die Begrün-
dung sowie Überprüfungsmöglichkeit des geschworenengerichtlichen Urteils im Allgemeinen sehr kritisch gegen-
übersteht.
3 Vgl statt vieler Lagodny in Soyer, Strafverteidigung 28; Lewisch, Geschworenengerichte 1 FN 1; Moos, Das Ge-
schworenengericht in Österreich im Vergleich mit dem Kanton Zürich, in FS Rehberg (1996) 205 (207 mN in FN 7);
Moringer, Für die Stärkung einer sachgerechten Laienbeteiligung im Strafverfahren, in Soyer (Hrsg), Strafverteidi-
gung – Neue Herausforderungen (2006) 59 (62); Sadoghi, Thesen zur Geschworenengerichtsbarkeit – historische
Aufarbeitung und Perspektiven (2007) 45.
4 Ausführlich Sadoghi, Geschworengerichtsbarkeit 46, 48, 62-67; vgl auch Lewisch, Geschworenengerichte 1 FN 1;
Moos in FS Rehberg 207 mN in FN 9; Moringer in Soyer, Strafverteidigung 62, 63 mN.
5 Näher nur Birklbauer, Strafprozessrecht4 (2018) Rn 13/3; Sadoghi, Geschworengerichtsbarkeit 75-79; Lewisch, Ge-
schworenengerichte 1 FN 1.
6 Burgstaller in Burgstaller/Schima/Császár, Die Aussetzung der Entscheidung im Verfahren vor den Geschworenen-
gerichten (1968) 9; Lewisch, Geschworenengerichte 1 FN 2; Moringer in Soyer, Strafverteidigung 63 f; Sadoghi,
Geschworengerichtsbarkeit 87.
7 Lewisch, Geschworenengerichte 2; Moos in FS Rehberg 210 mN zur diesbezüglichen Diskussion in FN 10; Moringer
in Soyer, Strafverteidigung 64; Sadoghi, Geschworengerichtsbarkeit 100.
8 VfGH 28. 6. 2017, G 344/2016 Rn 7; Hinterhofer/Oshidari, System des österreichischen Strafverfahrens (2017)
Rn 10.2; Lewisch, Geschworenengerichte 8; Moos in FS Rehberg 208; Schroll/Schillhammer, Rechtsmittel in Straf-
sachen3 (2018) Rn 12.
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Austrian Law Journal
Band 1/2019
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2019
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 126
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal