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ALJ 2019 Christoph Zehetgruber 84
der Überprüfbarkeit behördlicher Entscheidungen bzw in concreto, jenem des § 87 StPO im Ge-
gensatz zur derzeitig vertretenen Ansicht hinsichtlich der Unanfechtbarkeit entsprechen, den mög-
lichen Missbrauch des Instruments der Aussetzung hintanhalten125 sowie damit im Ergebnis vor-
handene Rechtschutzdefizite zu Lasten des Angeklagten wie der Staatsanwaltschaft schließen. Die
vom VfGH befürchtete Präjudizialität einer durch den Schwurgerichtshof begründeten Entschei-
dung wäre im Übrigen (wie dargelegt) um keinen Deut größer als nach derzeitiger, auf eine Be-
gründung verzichtender Rechtslage.
Legistisch wäre für eine solche Neuinterpretation der Aussetzung nur eine Streichung der die Be-
gründungslosigkeit normierenden Wortfolge in § 341 StPO, eine Umformulierung bzw Ergänzung
der Vorschrift des § 334 Abs 1 StPO in Bezug auf eine Möglichkeit zur Antragsstellung sowie die
Etablierung eines skizzierten Überprüfungsverfahrens (unter Berücksichtigung und Adaptierung
des Grundsatzes nach § 87 StPO) notwendig. Darüber hinaus bedürfte es eines (auch durch die
Rsp zu transportierenden) gewandelten Verständnisses des Begriffs des Irrtums in Bezug auf die
Aussetzung bei den handelnden Akteuren bzw einer gesetzlichen Definition dieses iZm § 334 StPO
unbestimmten Gesetzesbegriffs.
C. § 334 Abs 4 StPO ist ersatzlos zu streichen
§ 334 Abs 4 StPO ist in seiner derzeitigen Ausgestaltung bereits aus Logik- und Gerechtigkeitser-
wägungen sowie als Relikt einer überholten Ansicht des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger
(siehe oben) ersatzlos zu streichen. Nach erfolgreicher Aussetzung des ersten geschworenenge-
richtlichen Urteils im hier dargestellten Sinn wären mehrfache Aussetzungen theoretisch unbe-
grenzt möglich, auf Basis der Eingeschränktheit der Aussetzung auf unvertretbare Fälle aber – auch
nach den bis dato gemachten Erfahrungen mit § 334 StPO – wohl nicht sehr wahrscheinlich.
VI. Fazit
§ 334 StPO stellt in seiner derzeitigen Form in vielfacher Hinsicht einen Fremdkörper in der öster-
reichischen Geschworenengerichtsbarkeit an sich sowie unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten
dar. Sofern jedoch die Geschworenengerichtsbarkeit als solche wie auch die Aussetzung als
Rechtsinstitut weiterhin ihren Platz in der österreichischen Rechtslandschaft beanspruchen wer-
den, sind zur besseren systematischen Vereinbarkeit mit dem Gesamtsystem des österreichischen
Strafverfahrens sowie (aus rechtspolitischer Sicht) zu Gunsten der Normunterworfenen Adaptie-
rungen der Bestimmung in der dargelegten Gestalt angezeigt.
125 Die Möglichkeit zu einem solchen nach derzeit geltender Rechtslage anerkennt auch Burgstaller in Burgstal-
ler/Schima/Császár, Aussetzung 162 f. Durch eine Begründetheit und Überprüfbarkeit der Aussetzungsentschei-
dung wäre ein Missbrauch des § 334 StPO zumindest erheblich erschwert, was Rechtssicherheitsvorteile bedeutet.
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Austrian Law Journal
Band 1/2019
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2019
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 126
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal