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ALJ 2021 S.-F. Kraus 12
dass schon der Abschluss eines intendierten Vertrags unterbleibt, lässt sich daraus ableiten:
Eine Haftung für Schäden, die aus der erweckten Erwartung des künftigen
Vertragsabschlusses resultieren, ist nicht in Betracht zu ziehen, wenn der Grund für den
Nichtabschluss bei unterstelltem Vertragsabschluss die Erfüllungspflicht beseitigt hätte. Das
trifft sich mit einem Grundsatz, den Ackermann66 anknüpfend an eine Rechtsprechung des
BGH67 zur sogenannten Rentabilitätsvermutung formuliert hat. Nach Ackermann sind „[d]em
Gläubiger eines Anspruchs auf das negative Interesse […] solche Schäden nicht zu ersetzen,
die er auch bei einer intakten rechtsgeschäftlichen Bindung seines Gegenübers
kompensationslos hätte hinnehmen müssen.“68 Demnach gebührt dem Gläubiger etwa dann
kein Vertrauensschadenersatz, „wenn der Schuldner seiner hypothetischen Pflicht zur
Erfüllung oder zum Ersatz des Erfüllungsinteresses durch Rücktritt hätte entgehen können.“69
5. Die Unterscheidung zwischen Vertrauensschaden und
Erfüllungsinteresse
Unterstützung findet die These, die Schadenshaftung nach § 46 ABGB von der Erklärung der
Bereitschaft zur künftigen Eheschließung her zu erklären, in der überwiegenden Ansicht70,
dass nach § 46 ABGB der Vertrauensschaden zu ersetzen ist. Denn in den Schadensarten
des Vertrauensschadens und des Erfüllungsinteresses liegt eine Differenzierung danach,
worin der Umstand liegt, der zum Ersatz verpflichtet.71 Ist der Vertrauensschaden zu
ersetzen, wertet das Gesetz das Schaffen bzw Setzen eines Umstands, der geeignet ist,
Vertrauen zu erwecken, als denjenigen, der zum Ersatz verpflichtet. Hingegen wertet das
Gesetz beim Vertrauensschaden nicht das Ausbleiben der Erfüllung eines Vertrags,
respektive einer aus dem Vertrag resultierenden Pflicht, als den Umstand, der zum Ersatz
verpflichtet (s auch § 878 S 3 ABGB und § 1019 ABGB).72
V. Die zwei Spuren des Vertrauensschutzes
Die bisherigen Erwägungen legen nahe, den Umstand, der nach dem Konzept des § 46 ABGB
zum Schadenersatz verpflichtet, an der Erklärung der Bereitschaft zur künftigen
Eheschließung festzumachen. Dadurch lässt sich die Berechtigung auf den Ersatz des
wirklichen Schadens nach § 46 ABGB damit rechtfertigen, dass ein Sachverhalt vorliegt, der
beim Geschädigten normativ – dh auf Grund einer Wertentscheidung des Gesetzgebers –
geschütztes Vertrauen erweckt.73 Damit ist allerdings noch nicht erklärt, ob und warum dem
Geschädigten diese Berechtigung gegenüber einem anderen Rechtssubjekt zusteht.
66 Ackermann, Negatives Interesse 328 ff (s auch aaO 514 f).
67 BGH XII ZR 136/91 BGHZ 123/12 (S. 96 [S.101]): „Solange es im Belieben der Vermieterin steht, schon vor der Überlassung
der Mietsache an die Mieterin von dem Vertrag zurückzutreten, hat die Mieterin keine hinreichend gesicherte Aussicht, daß
Aufwendungen, die sie im Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Mietvertrages gemacht hat, durch die Vorteile
ausgeglichen werden, die sie durch die Überlassung der Mietsache hätte.“
68 Ackermann, Negatives Interesse 329; s auch dens, ZHR 164 (2000) 394 (424 in Fn 131).
69 Ackermann, Negatives Interesse 330.
70 Siehe dazu die Nachweise in Fn 41.
71 Zu § 878 ABGB (s zu diesem auch noch in Fn 73) hat bereits Gschnitzer (in Klang, ABGB IV/1² 175) betont, dass das
Charakteristikum der Differenzierung in die beiden Schadensarten Vertrauensschaden und Erfüllungsinteresse in der
Schadensursache liegt, nicht aber im Umfang des Schadens, der zu ersetzen ist.
72 Siehe dazu S.-F. Kraus, Der negative Vertrauensschutz (in Druck).
73 Vgl Hopf/Kathrein, Eherecht³ § 46 ABGB Rz 1: „Ratio legis [von § 46; Anm d Verf] ist der Schutz des Vertrauens eines
Verlobten auf den Bestand des Verhältnisses und die Einhaltung des Eheversprechens, […].“ (s auch aaO Rz 6). In diese
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Austrian Law Journal
Band 1/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 59
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal