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ALJ 2021 Mobiliarsicherheiten 25
der Verbringung der Sache nach Österreich untergeht.2 Vor Kurzem kam es jedoch zu einer
bedeutenden Wendung in der Rechtsprechung: Nach einer neuen Entscheidung des OGH
soll ein in Deutschland durch Besitzkonstitut wirksam begründetes Sicherungseigentum an
beweglichen Sachen auch bei Grenzübertritt der Sache nach Österreich wirksam bleiben.3 Im
Rahmen seiner Begründung referierte der OGH insbesondere diverse Stimmen aus der
Literatur, welche die Konformität der früheren Rechtsprechung mit den Grundfreiheiten der
EU bezweifelten und erachtete diese Bedenken „für beachtlich“.4 Letztlich stützte der OGH
seine Entscheidung jedoch bloß auf das österreichische IPRG – und somit ausschließlich auf
innerstaatliches Recht.5
Die vom OGH vertretene Lösung über § 31 iVm § 7 IPRG ist nun jedoch selbst deutlicher Kritik
ausgesetzt.6 Zum Teil wird ausdrücklich eine erneute Überprüfung angeregt.7 Damit hat die
unionsrechtliche Problematik nichts an Aktualität eingebüßt. Die Frage, ob die
Nichtanerkennung von ausländischen publizitätslosen Sicherheiten in Österreich mit den
Grundfreiheiten vereinbar wäre, ist nämlich weiterhin ungeklärt.8 Käme man letztendlich
tatsächlich zu dem Schluss, dass die lange Zeit geltende hA gegen die Grundfreiheiten
verstößt, so wäre die Legitimation der Judikaturwende erheblich gesteigert. Im umgekehrten
Fall wäre wieder vieles offen – gerade im Hinblick auf eine mögliche erneute Überprüfung der
jüngsten Rechtsprechung. Die unionsrechtliche Dimension bedarf daher dringend einer
tiefergehenden Untersuchung.
Als besonders problematisch wurde in der bisherigen europarechtlichen Diskussion vor
allem der Umstand erachtet, wonach das strenge Faustpfandprinzip auch nach
innerstaatlichem Recht nicht durchgängig verwirklicht sei – wie etwa die Anerkennung des
2 Siehe etwa OGH 14.12.1983, 3 Ob 126/83, 3 Ob 127/83 SZ 56/188; Verschraegen in Rummel (Hrsg), ABGB3 § 31 IPRG Rz 28;
Schacherreiter, Publizitätsloses Sicherungseigentum im deutsch-österreichischen Grenzverkehr. Die Versagung der
Anerkennung auf dem Prüfstein des Gemeinschaftsrechts, ZfRV 2005, 173; Zöchling-Jud, Der Einfluss des Europarechts auf
das Privatrecht, in FS 200 Jahre ABGB (2011) 1782.
3 OGH 23.1.2019, 3 Ob 249/18s JBl 2019, 439. Vgl zu dieser Entscheidung etwa Faber, In Deutschland publizitätslos
begründetes Sicherungseigentum nach Grenzübertritt doch nicht unwirksam? Kritisches zu OGH 3 Ob 249/18s und
Vorschlag einer alternativen Lösung, ÖBA 2019, 401; Lurger, Besitzloses (deutsches) Sicherungseigentum überlebt den
Grenzübertritt nach Österreich: Der OGH verabschiedet sich von einem 35 Jahre alten Rechtssatz, Zak 2019, 124; Bachner,
Publizität und stärkste Beziehung bei Mobiliarsicherheiten im deutsch-österreichischen Rechtsverkehr.
Besprechungsaufsatz zu OGH 23. 1. 2019, 3 Ob 249/18s, ÖJZ 2020, 53; Schwartze, Judikaturwende bei
grenzüberschreitenden Sicherungsrechten: Publizitätslose Sicherungsübereignung bleibt auch nach Import der Sache nach
Österreich wirksam, ZFR 2019, 468.
4 Vgl die Abschnitte 6.3 ff der Entscheidung OGH 3 Ob 249/18s.
5 Vgl OGH 3 Ob 249/18s, Abschnitt 6.3.5. Vgl auch Ronacher, Entscheidungsanmerkung zu OGH 23.1.2019, 3 Ob 249/18s, JBl
2019, 439 (444); Bachner, ÖJZ 2020, 53; Schwartze, ZFR 2019, 472; Nitsch, Mobiliarsicherheiten im österreichischen
Internationalen Privatrecht – gestern und heute. Judikaturwende des österreichischen OGH hinsichtlich publizitätslosen
Sicherungseigentums, ZfRV 2019, 250 (255 f); Heindler, Die Faustpfandpublizität im IPR, ÖBA 2020, 395 (401). Beachte
demgegenüber Lurger, Aus einem hypothetischen Verstoß gegen die Grundfreiheiten folgt: Besitzloses (deutsches)
Sicherungseigentum überlebt den Grenzübertritt nach Österreich nun doch, IPRax 2019, 560 (564), der zufolge der OGH
die frühere Rechtsprechung ausdrücklich für nicht unionsrechtskonform halten würde. Ähnlich Lurger, Zak 2019, 126.
6 Vgl etwa Faber, ÖBA 2019, 402 ff; Faber, Aus dem Ausland „importierte“ Mobiliarsicherheiten: Handlungsbedarf im IPRG bzw
im materiellen Recht? ZFR 2020, 280 ff; Ronacher, JBl 2019, 445 f.
7 Siehe nur Faber, ÖBA 2019, 407.
8 Faber, ÖBA 2019, 407; Ronacher, JBl 2019, 446. Vgl auch Kieninger, Perspektiven für ein Europäisches
Mobiliarkreditsicherungsrecht, ZEuP 2016, 201 (203).
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Austrian Law Journal
Band 1/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 59
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal