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ALJ 2021 Lindenbauer 32
inhaltlich unbekannte, sondern auch durch inhaltlich grundsätzlich bekannte
Mobiliarsicherheiten verhindern soll.
4. Schutz des Schuldners?
Kaum diskutiert wurde demgegenüber bisher, dass das Publizitätsprinzip womöglich auch
dem Schutz des Schuldners dient. Einer Ansicht nach erscheine es nämlich durchaus
denkbar, dass der Schuldner durch den strengen Ansatz davor bewahrt werden soll,
leichtfertig Verbindlichkeiten einzugehen und als Sicherungsmittel dabei eine in seinem
Besitz befindliche Sache zu verwenden.59
B. Legitimität der möglichen Ziele
Aufgrund der bereits erwähnten großzügigen Haltung des EuGH bestehen hinsichtlich einer
möglichen Anerkennung der soeben genannten Ziele keine Bedenken. Es kann vielmehr
davon ausgegangen werden, dass sowohl der Schutz der Güter- und Gläubigerordnung als
auch der Gläubigerschutz sowie der Schutz des Schuldners als zwingende Gründe des
Allgemeininteresses zu betrachten sind, welche grundsätzlich zur Rechtfertigung einer
Nichtanerkennung ausländischer publizitätsloser Sicherheiten vorgebracht werden
können.60 Dass die möglichen Rechtfertigungsgründe des Gläubiger- und Schuldnerschutzes
insbesondere einzelnen Personen zugutekommen, sollte in dieser Hinsicht einer
Anerkennung als zwingende Gründe des Allgemeininteresses nicht entgegenstehen – man
betrachte nur das legitime Ziel des Verbraucherschutzes, welches in ähnlichem Maße auch
den Schutz individueller Personen bewirkt und trotzdem seit Langem als zwingender Grund
des Allgemeininteresses61 gilt.
IV. Prüfung der Verhältnismäßigkeit
In der Praxis ist jedoch meist ohnehin nicht die Frage nach einem legitimen Ziel, sondern eher
die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme entscheidend.62 Ein bloßes Berufen
auf legitime Rechtfertigungsgründe reicht nämlich noch keinesfalls, um
Unionsrechtskonformität sicherzustellen. Die vorgegebenen Ziele müssen vielmehr auch
verhältnismäßig verfolgt werden.63 Ob dies bei der Nichtanerkennung einer ausländischen
publizitätslosen Sicherheit auf Basis des strengen Publizitätsprinzipes tatsächlich der Fall
wäre, wird jedoch von großen Teilen der Lehre bezweifelt.64
59 Verschraegen in Rummel, ABGB3 § 31 IPRG Rz 30. Ebenso jüngst BG Feldkirch 6.7.2018, 11 C 3/18h sowie LG Feldkirch
25.9.2018, 1 R 206/18d (vgl die entsprechenden Verweise in OGH 3 Ob 249/18s).
60 Vgl auch Röthel, JZ 2003, 1032; Roth in Eidenmüller/Kieninger, Future of Secured Credit 53; Kieninger, Mobiliarsicherheiten
174; Diedrich, ZVglRWiss 104 (2005) 125; Lurger, IPRax 2019, 563; Berner, Wohlerworbene Rechte 349.
61 Vgl nur Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV5 AEUV Art 36 Rn 80; Klamert, EU-Recht2 Rz 655 sowie FN 34.
62 Klamert, EU-Recht2 Rz 625.
63 Siehe zB EuGH 21.5.2019, C-235/17, Kommission/Ungarn, Rn 59 ff; Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV5 AEUV Art 36
Rn 89 ff; Mathisen, Consistency and Coherence, Common Market Law Review 2010, 1021 (1023). Vgl auch
Akkermans/Ramaekers, European Law Journal 2013, 249; Roth in Eidenmüller/Kieninger, Future of Secured Credit 54;
Schacherreiter, ZfRV 2005, 181; Kieninger, Mobiliarsicherheiten 174.
64 Siehe nur FN 9.
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Austrian Law Journal
Band 1/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 59
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal