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Austrian Law Journal, Band 1/2021
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ALJ 2021 Lindenbauer 42 D. Mögliche Inkohärenzen in der österreichischen Rechtsordnung In der Lehre wurde im Vorfeld der jüngsten Judikaturwende vor allem ein großer Widerspruch im österreichischen System gesehen: Die Anerkennung des Eigentumsvorbehaltes als publizitätslose Sicherheit.137 Daneben beinhalten allerdings auch die Möglichkeit einer Übergabe durch Zeichen sowie – je nach Auslegung – die Regel des § 467 ABGB gewisse Ausnahmen von der Grundregel. Diese beiden möglichen Kritikpunkte sollen nun zuerst geprüft werden.138 1. Übergabe durch Zeichen Dass die Möglichkeit einer Übergabe durch Zeichen eine gesetzliche Ausnahme vom Faustpfandprinzip darstellt,139 wurde in der Vergangenheit vor dem Hintergrund der Grundfreiheiten vereinzelt kritisiert. Von Wilmowsky führte beispielsweise aus, dass das österreichische System nur wenig Überzeugungskraft ausstrahle, weil „besitzlose Sicherungsrechte allein an unter erheblichem Aufwand zu transportierenden Mobilien, nicht jedoch an Sachen [...], die sich ohne weiteres übergeben lassen“, erlaubt seien.140 Tatsächlich besteht mit § 452 ABGB eine Ausnahme von der strengen Regelung des § 451 ABGB, mit der bewegliche Gegenstände im Besitz des Sicherungsgebers verbleiben und trotzdem wirksam verpfändet werden können. Zu beachten ist jedoch, dass diese Möglichkeit nur dann greift, wenn eine physische Übergabe nach der objektiven Beschaffenheit einer Sache nicht möglich oder wirtschaftlich untunlich ist.141 137 Vgl insb die in FN 9 zitierte Literatur. 138 Die in der EuInsVO (Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren, ABl L 141/19) enthaltenen Bestimmungen in Bezug auf ausländische dingliche Sicherheiten begründen demgegenüber jedenfalls keine Inkohärenz: Art 8 EuInsVO bestimmt lediglich, dass ein dingliches Recht eines Gläubigers an Gegenständen des Schuldners, welche sich im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates befinden, von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt wird. Nach der von der hA vertretenen „Sachnormtheorie“ bedeutet dies mit anderen Worten, dass die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens überhaupt keinen Einfluss auf das dingliche Recht hat (s nur J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO [2016] Art 8 Rn 34; Kindler in Münchener Kommentar zum BGB XXIII8 [2021], EuInsVO Art 8 Rn 15, 22 f; hinsichtlich des von Art 10 erfassten einfachen Eigentumsvorbehaltes vgl Knof in Uhlenbruck [Hrsg], Insolvenzordnung: EuInsVO15 [2020] Art 10 Rn 18). Dass dingliche Rechte durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht berührt werden (dürfen), bedeutet jedoch nicht, dass eine nachträgliche Verbringung der belasteten Sache in einen anderen Mitgliedstaat (wie zB Österreich) keine Auswirkungen auf die Anerkennung des dinglichen Rechtes haben darf. Das dingliche Recht wird in diesem Fall ja nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern durch die Verbringung der Sache in einen anderen Mitgliedstaat „berührt“. Letzteres betrifft also eine völlig andere Konstellation, welche nicht von Art 8 der EuInsVO erfasst ist (vgl in diesem Zusammenhang etwa auch Knof in Uhlenbruck, Insolvenzordnung: EuInsVO15, Art 8 Rn 9, wonach allgemeine Fragen nach der wirksamen Begründung oder einer zwischenzeitlichen Erlöschung eines dinglichen Rechtes nicht Gegenstand des Art 8 EuInsVO sei, sowie J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO, Art 8 Rn 24, wonach Art 8 insbesondere nicht regle, welches Recht darüber entscheide, ob ein dingliches Recht überhaupt noch wirksam besteht). Hinzu kommt, dass die Bestimmungen der EuInsVO die innere Kohärenz der österreichischen Rechtsordnung schon dem Grunde nach nicht beeinträchtigen können, weil es sich bei der EuInsVO um eine europäische Verordnung handelt und bei der Kohärenzprüfung des EuGH im Zusammenhang mit der Rechtfertigung von Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten bloß die innerstaatlichen Maßnahmen im Verhältnis zu den selbst gesteckten Zielen untersucht werden (vgl auch die Ausführungen bei FN 91 ff und 111 ff). Es erschiene auch nicht einleuchtend, die Rechtfertigung für einen Widerspruch zum Unionsrecht schon alleine deswegen zu versagen, weil ein Widerspruch zum Unionsrecht besteht. Das Kohärenzerfordernis soll nicht jegliche Abweichungen nationaler Maßnahmen vom Unionsrecht verhindern, sondern vielmehr sicherstellen, dass die Grundfreiheiten nur dann beeinträchtigt werden, wenn sich ein Mitgliedstaat auf legitime Ziele beruft und diese selbst auch konsequent und widerspruchsfrei verfolgt. 139 Hofmann in Rummel, ABGB3 § 451 ABGB Rz 4, § 452 ABGB Rz 1; Wolkerstorfer in Klang3 § 452 ABGB Rz 1. 140 Von Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht 135. 141 Wolkerstorfer in Klang3 § 452 ABGB Rz 1.
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Austrian Law Journal Band 1/2021
Titel
Austrian Law Journal
Band
1/2021
Autor
Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgeber
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Ort
Graz
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
19.1 x 27.5 cm
Seiten
59
Schlagwörter
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Kategorien
Zeitschriften Austrian Law Journal
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