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ALJ 2021 Lindenbauer 46
also noch nie im Eigentum des Kreditnehmers befunden. Aufgrund der besonderen Funktion
zur Anschaffungsfinanzierung ist es im europäischen Vergleich auch durchaus üblich, einen
Eigentumsvorbehalt ohne spezielle Publizitätsanforderungen zuzulassen – selbst wenn in
den jeweiligen Staaten für Mobiliarsicherheiten eigentlich die Sachübergabe oder eine
Registrierung gefordert wird.167 Dahinter steht auch ein wirtschaftliches Interesse der
Rechtsunterworfenen „an einer praktisch funktionsfähigen und insb kostengünstigen
dinglichen Sicherheit für Anschaffungsfinanzierungen“168. Der (einfache) Eigentumsvorbehalt
ist schließlich „ein außerordentlich einfaches und kostengünstiges Mittel, die wechselseitigen
Interessen [zwischen Käufer und Verkäufer] zu befriedigen.“169
Die Charakteristik der Kaufpreissicherung bringt im Übrigen mit sich, dass der
Eigentumsvorbehalt im Gegensatz zum Pfandrecht oder Sicherungseigentum nur an einer
konkreten Kaufsache und nicht an sonstigen Vermögensgegenständen begründet werden
kann. Des Weiteren lässt sich auch die Höhe der Haftungssumme nicht beliebig festlegen,
sondern ist mit der Höhe des Kaufpreises begrenzt.170 Diese Überlegungen sind nun im
Rahmen der folgenden Kohärenzprüfung im Hinblick auf die einzelnen denkbaren Ziele stets
zu bedenken.
a. Schutz der Güterordnung
Zunächst soll auf den Schutz der Güterordnung durch die Aufrechterhaltung des numerus
clausus und des Typenzwanges eingegangen werden.171 Denkbar wäre hierbei sogar, den im
AEUV im Hinblick auf alle Grundfreiheiten vorgesehenen172 „geschriebenen“
Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung heranzuziehen.173 Der Begriff ist nach der
Rechtsprechung des EuGH jedoch eng auszulegen.174 Eine Berufung auf die öffentliche
Ordnung ist nach Ansicht des Gerichtshofes „nur möglich, wenn eine tatsächliche und
hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft
berührt“175. Dass die Anerkennung von ausländischen Sicherheiten tatsächlich mit einer
derartig schwerwiegenden Gefährdung einhergeht, muss wohl bezweifelt werden.176
Unabhängig davon besteht jedoch die Möglichkeit, auf den Schutz der Güterordnung als
„ungeschriebenen“ Rechtfertigungsgrund zurückzugreifen. Wie bereits oben erwähnt, stellen
Typenbeschränkung und Typenzwang schließlich tragende Säulen des österreichischen
Sachenrechtes dar.177 Fraglich ist in diesem Zusammenhang allerdings, ob nicht bereits die
Anerkennung des Eigentumsvorbehaltes eine Inkohärenz in Bezug auf die Aufrechterhaltung
167 Faber, ÖBA 2019, 404 mwN.
168 Faber, ALJ 2015, 229.
169 Brinkmann, Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen (2011) 177.
170 Vgl zu diesen und weiteren Argumenten für die Sonderbehandlung des Eigentumsvorbehaltes etwa Aicher in
Rummel/Lukas, ABGB4 § 1063 ABGB Rz 33 mwN; Aigner, ÖJZ 2016, 294 f; Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek, ABGB
Praxiskommentar4 § 1063 Rz 19; Verschraegen in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.08 § 1063 Rz 9. Für eine kritische Würdigung
vgl Faber, ALJ 2015, 217 ff.
171 Zum Schutz des Publizitätsprinzipes als weiteres Element des Schutzes der Güterordnung s unten ab FN 180.
172 Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV5 AEUV Art 36 Rn 76.
173 Akkermans/Ramaekers, European Law Journal 2013, 248.
174 Siehe zB Schroeder in Streinz, EUV/AEUV3 AEUV Art 36 Rn 11 mwN; Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV5 AEUV Art 36
Rn 76.
175 EuGH 14.10.2004, C-36/02, Omega, Rn 30 mwN. Vgl auch Klamert, EU-Recht2 Rz 647.
176 Vgl auch OGH 3 Ob 249/18s, worin der OGH durch die Anerkennung von deutschem publizitätslosem Sicherungseigentum
keine „Grundwertungen des österreichischen Rechts verletzt“ sah (dort allerdings nicht im Kontext der Grundfreiheiten).
177 Vgl die Ausführungen in Kap III.A.1.
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Austrian Law Journal
Band 1/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 59
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal