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ALJ 2021 Mobiliarsicherheiten 49
oben ausgeführt, soll das Publizitätsprinzip in Kombination mit Typenbeschränkung und
Typenzwang den Rechtsverkehr ja gerade vor einer Ăśberraschung durch der Rechtsordnung
unbekannte dingliche Rechte bewahren.187
Im Ergebnis bedeutet dies: Ausländische, dem österreichischen Sachrecht entsprechende
publizitätslose Eigentumsvorbehalte (oder sonst mit der österreichischen Güterordnung zu
vereinbarende Mobiliarsicherheiten) sind vor dem Hintergrund der Europäischen
Grundfreiheiten grundsätzlich anzuerkennen, andere publizitätslose Mobiliarsicherheiten
hingegen nicht. Letzteres trifft insbesondere auf das durch die österreichische
Rechtsordnung nicht anerkannte publizitätslose Sicherungseigentum zu. Anders als beim
Eigentumsvorbehalt ist hier nämlich keine sachliche Rechtfertigung für dessen Ausnahme
vom Publizitätsprinzip ersichtlich – das Sicherungseigentum ist insbesondere in funktionaler
Hinsicht mit dem Pfandrecht vergleichbar.188 Eine Nichtanerkennung von ausländischem
publizitätslosem Sicherungseigentum ist daher nach der hier vertretenen Ansicht zum Schutz
der nationalen Güterordnung durchaus als verhältnismäßig zu betrachten.
Zusammenfassend ist daher an dieser Stelle festzuhalten, dass eine Nichtanerkennung von
publizitätslosen ausländischen Sicherheiten prinzipiell mit dem Schutz der Güterordnung
gerechtfertigt werden kann – ausgenommen davon sind jedoch insbesondere ausländische
Eigentumsvorbehalte. Die Anerkennung des Eigentumsvorbehaltes im Inland begrĂĽndet
nach der hier vertretenen Ansicht jedenfalls keine Inkohärenz in Bezug auf den numerus
clausus, den Typenzwang und auch nicht in Bezug auf das strenge Publizitätsprinzip als
solches.
b. Schutz der Gläubigerordnung
Ähnlich wie in Bezug auf den Schutz der Güterordnung muss die Unionsrechtskonformität
der Ausnahme des Eigentumsvorbehaltes vom Publizitätsgrundsatz auch hinsichtlich des
Schutzes der Gläubigerordnung differenziert betrachtet werden. Geht man davon aus, dass
es bei dem Schutz der Gläubigerordnung vor allem um den Schutz der Rangfolge zwischen
einzelnen Gläubigern und Sicherungsrechten sowie des Vertrauens geht, das die
Rechtsunterworfenen in diese setzen,189 so scheint die Ausnahme des Eigentumsvorbehaltes
von der grundsätzlichen Publizitätspflicht insofern gerechtfertigt, als Eigentumsvorbehalte –
unabhängig von ihrer Publizitätslosigkeit – mit den geltenden exekutions- und
insolvenzrechtlichen Bestimmungen kompatibel sind und die Praxis auch aufgrund
jahrzehntelanger Ăśbung190 mit Eigentumsvorbehalten durchaus umzugehen weiĂź. Welche
Rechte ein Eigentumsvorbehalt in Exekutions- bzw Insolvenzverfahren vermittelt, ist
hinlänglich geklärt.191 Ob eine konkrete Sache mit einem Eigentumsvorbehalt belastet ist,
187 Siehe III.A.1.
188 Zu den Argumenten fĂĽr eine unterschiedliche Behandlung von Eigentumsvorbehalt und Sicherungseigentum bzw
Pfandrecht s bereits oben, insb bei FN 164 ff sowie bei FN 181 ff.
189 Vgl die AusfĂĽhrungen in Kap III.A.2.
190 Zur Geschichte und praktischen Bedeutung des Eigentumsvorbehaltes vgl Faber, ALJ 2015, 212 ff.
191 Siehe nur Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1063 Rz 41, 74 ff mwN; Verschraegen in
Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.08 § 1063 Rz 34 ff mwN.
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Austrian Law Journal
Band 1/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 59
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal