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ALJ 2021 Lindenbauer 54
Rechtfertigt man die Sonderbehandlung des Eigentumsvorbehaltes im Hinblick auf das
grundsätzlich strenge Publizitätsprinzip damit, dass allfällige Zweifel hier im Gegensatz zum
Pfandrecht durch diverse Dokumente ausgeräumt werden können, so stellt sich noch die
Frage, weshalb die Ausnahme nicht auch für das Sicherungseigentum gelten sollte. Die
Antwort liegt wiederum darin, dass das Nichtbestehen von Sicherungseigentum eben nicht
wie beim Eigentumsvorbehalt nachgewiesen werden kann. Ein Kaufvertrag in Verbindung mit
einer Zahlungsbestätigung könnte zwar darauf hinweisen, dass jedenfalls kein
Eigentumsvorbehalt besteht und dass der Schuldner uU Eigentümer wurde. Das bedeutet
jedoch nicht, dass keine darauffolgende sicherungsweise Übereignung an einen Dritten
stattfinden konnte. Für einen Nachweis des Nichtbestehens von Sicherungseigentum müsste
also wie beim Pfandrecht eine Bestätigung von allen potentiellen Gläubigern eingeholt
werden. Insofern ist es völlig sachgerecht, das Sicherungseigentum aufgrund dessen Nähe
zum Pfandrecht213 und vor dem Hintergrund des Gläubigerschutzes dem pfandrechtlichen
Publizitätsprinzip zu unterwerfen.
Will man durch das soeben geschilderte System einen Gläubigerschutz in dem Sinne
erreichen, dass dem Schuldner sämtliche Täuschungsmöglichkeiten genommen werden,214
so könnte man in der Möglichkeit, eine verkaufte Sache durch Besitzkonstitut zu übereignen,
womöglich noch einen gewissen Widerspruch sehen: Der Gläubiger kann sich schließlich
schon aufgrund dieser Möglichkeit nicht sicher sein, dass grundsätzlich nachgewiesenes
Eigentum des Schuldners an in dessen Gewahrsame stehenden Sachen immer noch besteht.
Die Problemlage ähnelt hier auf den ersten Blick also jener, welche zuvor in Bezug auf das
Sicherungseigentum erläutert wurde. Allerdings gilt es zu bedenken, dass durch die
Übergabe einer endgültig verkauften Sache mittels Besitzkonstitutes keine Mobiliarsicherheit
begründet wird und eine analoge Anwendung der pfandrechtlichen Publizitätsvorschriften
daher (im Gegensatz zum Sicherungseigentum) schon aus diesem Grund nicht in Frage
kommt. Das pfandrechtliche Publizitätsprinzip soll grundsätzlich ja nur sicherstellen, dass
sich in der Gewahrsame des Schuldners keine pfandrechtlich belasteten Sachen befinden.
Insofern ist die Möglichkeit der Übereignung einer Sache mittels Besitzkonstitut nicht als
ungerechtfertigte Ausnahme vom Faustpfandprinzip zu betrachten.
Im Gegensatz zu diversen Ansichten in der Literatur kann daher an dieser Stelle festgehalten
werden, dass die Anerkennung des publizitätslosen Eigentumsvorbehaltes auch in Bezug auf
das mögliche Ziel des Gläubigerschutzes grundsätzlich keine Inkohärenz begründet – sofern
man davon ausgeht, dass das Publizitätsprinzip sicherstellen soll, dass sich keine
verpfändeten Sachen in der Gewahrsame befinden sollen und nicht, dass sämtliche in der
Gewahrsame des Schuldners befindlichen Sachen auch tatsächlich dem Haftungsfonds
zuzuordnen sind. Letzteres würde angesichts der Tatsache, dass sich immer auch in
fremdem Eigentum stehende Sachen beim Schuldner befinden können, schlichtweg keinen
Sinn ergeben. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip erfordert jedoch wiederum, dass dem
Eigentumsvorbehalt im Hinblick auf das Ziel des Gläubigerschutzes entsprechende
ausländische publizitätslose Mobiliarsicherheiten anerkannt werden. Nur dann kann davon
ausgegangen werden, dass die grundsätzliche Nichtanerkennung von ausländischen
213 Vgl auch die Ausführungen bei FN 164 ff.
214 Siehe FN 58.
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Austrian Law Journal
Band 1/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 59
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal