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ALJ 2/2015 Ausgleich von Personenschäden 190
satzrecht völlig ausschaltet, und zwar auch für Schäden, die über die Versicherungsleistung
hinausgehen. Die Nachteile dieses Systems, nämlich nur der Höhe nach begrenzte Ersatzleistun-
gen, Verlust des Präventionseffekts17 und erhebliche Belastungen des Staates, wurden und wer-
den in Neuseeland geringer geachtet als die Vorteile: nämlich rascher Ersatz unabhängig von der
Schadensursache, wesentlich kostengĂĽnstigere Durchsetzung und Betonung des Gemeinschafts-
gedankens.
Das neuseeländische Beispiel konnte bisher nicht so überzeugen, dass es in anderen Ländern
nachgeahmt wurde. Das scheint auch verständlich18: Der aus finanziellen Gründen umfangmäßig
begrenzte Ersatz von Personenschäden und damit der unvollständige Schutz des höchstrangigen
Gutes muss als schwerer Nachteil dieses Systems gewertet werden. Dass der Gemeinschaftsge-
danke dazu führt, dass der schuldlose Geschädigte bei großen Schäden einen erheblichen Teil
des Schadens selbst zu tragen hat, erscheint alles andere als einleuchtend. Das Argument der
KostengĂĽnstigkeit der Schadensabwicklung relativiert sich, wenn man bedenkt, dass mit Perso-
nenschäden häufig Sachschäden verbunden sind und deren Ersatz gesondert nach schadener-
satzrechtlichen Regeln auf dem normalen Rechtsweg durchgesetzt werden muss.
V. Grundgedanken fĂĽr eine Weiterentwicklung in Europa
Von den kurz vorgestellten Lösungen scheint der in Europa überwiegend eingeschlagene Weg
der Kombination von Schadenersatzrecht und Versicherungssystemen sachgerechter als die
reine Versicherungslösung, da die Vorteile des Versicherungssystems genutzt, die Nachteile der
Verdrängung des Schadenersatzrechts jedoch vermieden werden. Letzteres ist allerdings teil-
weise dann nicht mehr der Fall, wenn es – wie in Skandinavien und Polen – durch das Abschnei-
den des Rückgriffs gegen den Schädiger zu einer teilweisen Verdrängung des Schadenersatz-
rechts bei Personsverletzungen kommt, nämlich soweit die Sozialversicherungsleistungen den
Schaden abdecken.
Scheidet man das neuseeländische Modell aus, so stellt sich die Frage, ob eine zwischen den
europäischen Rechtsordnungen vermittelnde, weiterführende Lösung für das Zusammenwirken
von Schadenersatz- und Sozialversicherungsrecht bei Personenschäden zu finden ist und damit
auch ein sinnvoller Weg zur Harmonisierung aufgezeigt werden kann. Es ist ohne Zweifel ein
berechtigtes Anliegen, den Geschädigten bei Personenschäden möglichst raschen und möglichst
weitgehenden Ersatz ihrer erlittenen Nachteile zu verschaffen und dafĂĽr das Sozialversicherungs-
recht heranzuziehen.
Die in Skandinavien, aber auch in Polen festzustellende teilweise Beiseiteschiebung des Scha-
denersatzrechts bei Personenschäden durch den Ausschluss des Rückgriffs des Sozialversiche-
rers gegen den Schädiger, steht aber in offensichtlichem Gegensatz zu dem in den anderen
Rechtsordnungen beibehaltenen Miteinander von Sozialrecht und Schadenersatzrecht, das letzt-
lich zu einer Schadenstragung nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen führt; also – sachge-
rechterweise – den verantwortlichen Schädiger nicht aus seiner Haftung entlässt.
17 Sehr skeptisch hiezu Green/Cardi, USA, in Koziol (Hrsg), Grundfragen des Schadenersatzrechts aus rechtsverglei-
chender Sicht (2014) Rz 6/20.
18 Siehe Koziol, Grundfragen Rz 1/10 ff.
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Austrian Law Journal
Band 2/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 100
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal