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ALJ 2/2015 Ausgleich von Personenschäden 192
Bereich der Arbeitnehmer-Unfallversicherung19 – auch nicht einmal über die entsprechend den
bei Haftpflichtversicherungen kalkulierten Versicherungsprämien die Kosten der Schadensab-
deckung zu tragen haben, sondern diese auf die Allgemeinheit überwälzt werden; da es bei der
Sozialversicherung um eine Schadensversicherung geht, also auf die Gesamtheit der potenziellen
Geschädigten und nicht der Schädiger.20
Was die Bedenken betreffend die fehlende Präventivwirkung des skandinavisch-polnischen
Systems betrifft, so könnte zwar zu deren Entkräftung darauf hingewiesen werden, dass vielfach
schon grundsätzlich bezweifelt wird, dass das Schadenersatzrecht überhaupt eine solche Wir-
kung entfalte21 und eine allenfalls vorhandene Wirkung durch das Bestehen von freiwilligen oder
obligatorischen Haftpflichtversicherungen jedenfalls erheblich verringert werde. Vorgebracht
werden könnte ferner, dass diese Minderung der Präventionswirkung im Bereich der Personen-
schäden nicht so bedeutsam sei, da dem Schädiger ohnehin noch in erheblichem Umfang Scha-
denersatzverpflichtungen fĂĽr die durch die Sozialversicherung nicht abgedeckten materiellen
Nachteile des Geschädigten, vor allem auch für dessen ideelle Schäden drohen; das skandinavi-
sche Modell schließt – im Gegensatz zum neuseeländischen System – ja keineswegs über die
Sozialversicherungsleistung hinausgehende SchadenersatzansprĂĽche aus. Ăśberdies greife bei
Personenschäden in weitem Ausmaß das Strafrecht ein, das eindeutig Präventivwirkung entfalte.
All diesen beruhigenden Argumenten kommt sicherlich eine gewisse Berechtigung zu, doch bleibt
zunächst noch immer zu bedenken, dass einerseits das Strafrecht nicht stets eingreift und
andererseits dem Schadenersatzrecht bisher auch bei Bestehen von Haftpflichtversicherungen
noch eine erhebliche Präventivwirkung zukommen kann, wenn das Prämiensystem entsprechend
ausgestaltet wird und der Schädiger daher neben strafrechtlichen Sanktionen zusätzlich mit einer
weiteren, für ihn finanziell spürbaren negativen Reaktion auf sein schädigendes Verhalten,
nämlich einer Prämienerhöhung, zu rechnen hat. Vor allem aber vermögen diese den Ausschluss
des Rückgriffs gegen den Schädiger unterstützenden Argumente ein ganz wesentliches Bedenken
gegen den Regressausschluss und damit gegen die Haftungsfreiheit des Schädigers nicht auszu-
räumen: Die Abschneidung des Rückgriffs und damit die endgültige Schadensabdeckung durch
die Sozialversicherung führen nämlich dazu, dass die verantwortlichen Schädiger nicht einmal
mehr in einem dem Haftungsrisiko entsprechenden AusmaĂź die Kosten fĂĽr eine Haftpflichtversi-
cherung zu tragen haben: Bei der heute gängigen Kalkulation werden die Beiträge zur Sozialver-
sicherung eben nicht nach den fĂĽr die Haftpflichtversicherung geltenden Regeln, sondern nach
den sozialversicherungsrechtlichen Grundätzen bemessen, sodass insofern keine für Haftpflicht-
versicherungen angemessenen Beiträge, die auf das Schädigungsrisiko abstellen, von den Sozial-
versicherten geleistet werden.
Um zu dem sachgerechten Ergebnis zu gelangen, dass der verantwortliche Schädiger – so wie der
Arbeitgeber im Bereich der Arbeitnehmer-Unfallversicherung – zumindest mit den Kosten für die
Versicherung des von ihm verwirklichten Haftungsrisikos belastet wird, ist es erforderlich, sich die
sachliche Funktion eines skandinavischen Sozialversicherers, dem jeglicher RĂĽckgriff gegen den
Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung abgeschnitten wird, vor Augen zu halten: Die
19 Siehe Engelhard, Shifts of Work-Related Injury Compensation. Background Analysis: The Concurrence of Com-
pensation Schemes, in Klosse/Hartlief (Hrsg), Shifts in Compensating Work-Related Injuries and Diseases (2007)
9 (74); G. Wagner in Oliphant/G. Wagner 567 f.
20 Dies hebt auch Askeland in Koziol Rz 2/5 hervor.
21 Siehe Koziol, Grundfragen Rz 3/5.
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Austrian Law Journal
Band 2/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 100
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal