Seite - 201 - in Austrian Law Journal, Band 2/2015
Bild der Seite - 201 -
Text der Seite - 201 -
ALJ 2/2015 Andreas Geroldinger 201
neue Regelung enthalten.37 Speziell das letztgenannte Kriterium ist freilich äußerst unbestimmt, im
Detail erscheint auch vieles umstritten.
Der OGH hat den Begriff „blue pencil test“ bislang – wie auch lange Zeit der BGH – vermieden, ohne
dass sich seine Vorgehensweise wesentlich von jener unterscheiden wĂĽrde, die die deutschen
Höchstgerichte dezidiert als „blue pencil test“ bezeichnen. Dessen Funktionsweise sollen nun einige
Beispiele aus der Rsp verdeutlichen. Gleichzeitig wird dabei die Unsicherheit offenbar, die im Um-
gang mit diesem Instrumentarium besteht. Die Ursachen fĂĽr die Unwirksamkeit der jeweiligen
Vertragstexte werden hier nicht näher analysiert.
1. OGH 10 Ob 70/07b
Der 10. Senat des OGH hatte im Rahmen eines Verbandsprozesses ĂĽber die AGB eines Kreditkar-
tenunternehmens zu urteilen, wobei die hier interessierenden Klauseln wie folgt lauteten38:
„Sofort nach Erhalt hat der Karteninhaber an der auf der Karte dafür vorgesehenen Stelle seine
Unterschrift anzubringen. Unterlässt dies der Karteninhaber, dann übernimmt er die volle Haf-
tung für alle Schäden, die im Falle des Verlustes oder Diebstahls der Karte durch Benützung der-
selben eintreten. …
Die Zusendung, mit welcher der PIN-Code dem Karteninhaber ĂĽbermittelt wird, ist unverzĂĽglich
nach Erhalt zu öffnen, der PIN-Code zur Kenntnis zu nehmen und unmittelbar danach zu vernich-
ten. Unterlässt dies der Karteninhaber, dann haftet er für alle Schäden, die im Fall der miss-
bräuchlichen Verwendung des PIN-Codes eintreten.“
Der 10. Senat hielt fest, dass es sich bei Satz 1 und 2 der beiden Regelungen jeweils um eigenstän-
dige, sprachlich wie inhaltlich voneinander trennbare Klauseln handle. In beiden Fällen verstoße die
Haftungsanordnung gegen § 879 Abs 3 ABGB bzw § 6 Abs 1 Z 9 KSchG, was jedoch der Wirksamkeit
der zulässigen Teile nicht schade.
Zumal jeweils ganze Sätze mit völlig eigenständigen Regelungskreisen gestrichen wurden und die
Pflichten im Hinblick auf die Unterschrift auf der Karte bzw den Umgang mit dem PIN-Code auch
ohne die unwirksamen Teile von Bedeutung verbleiben, handelt es sich hier um einen unstrittigen
Fall. Wohl unter jedem Klauselbegriff, der nicht vollständig formellen Kriterien verschrieben ist,
gelänge man zu dem Ergebnis, dass zwei von vier Klauseln zur Gänze für unwirksam erklärt wurden.
2. BGH VIII ZR 214/80
Schon etwas komplexer war insofern eine der ersten Entscheidungen des BGH zur Frage der Teil-
barkeit von Klauseln. Darin wurde folgende Bestimmung untersucht und teilweise fĂĽr unwirksam
erklärt39:
„Der Käufer verpflichtet sich, die Ansprüche aus dem Kaufvertrag nicht abzutreten, das Fahrzeug vor
Erhalt nicht weiterzuverkaufen sowie die Zulassung des Fahrzeugs auf sich zu veranlassen. Der Käu-
fer wird [die Verkäuferin] oder deren zuständigen Vertreter auf Verlangen bevollmächtigen, die Zu-
lassung des Fahrzeugs auf den Käufer zu beantragen. Bei Verstoß oder versuchtem Verstoß gegen
diese Regelung kann [die Verkäuferin] ohne Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten.“
37 So die Zusammenfassung bei Uffmann, Verbot 157.
38 OGH 10 Ob 70/07b Ă–BA 2009, 922.
39 BGH VIII ZR 214/80 NJW 1982, 178.
zurĂĽck zum
Buch Austrian Law Journal, Band 2/2015"
Austrian Law Journal
Band 2/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 100
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal