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Austrian Law Journal, Band 2/2015
Seite - 206 -
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ALJ 2/2015 Klauselbegriff und „blue pencil test“ in der AGB-Rechtsprechung 206 In ihrer reinsten und ursprünglichen Form zeichnet sich diese Methode dadurch aus, dass dem Richter zwar das Streichen jener Textpassagen, die zur Unwirksamkeit der Bestimmung führen, gestattet ist, andere Eingriffe in den Vertragstext – insbesondere Umformulierungen – aber untersagt sind. Der Richter solle nicht privatautonome Parteienvereinbarungen neu gestalten, sondern nur einen Rechtsstreit entscheiden. Das bloße Streichen eines Vertragsteiles sei im Unterschied zur Umformulierung keine Neugestaltung, denn der unangemessene Teil könne unter geringstmöglichem Eingriff in den Vertrag gezielt eliminiert werden.64 Der Hauptanwen- dungsbereich der „blue pencil rule“ lag über lange Zeit in der Beschränkung von Konkurrenz- klauseln, die im Hinblick auf die untersagte Tätigkeit, die Verbotsdauer oder das betroffene Gebiet überschießend formuliert waren. Die Gerichte strichen ohne Weiteres geografische Namen oder Umschreibungen relevanter Tätigkeitsfelder bzw sonstiger Konkurrenzsituatio- nen65, sahen sich aber – wegen der formellen Grenzen der „blue pencil rule“ – außerstande, überlange Verbotsfristen durch angemessene zu ersetzen (zB drei statt fünf Jahre). Auch aus Haftungsausschlüssen wurden wiederholt einzelne Wörter, Satzteile oder Sätze eines Absatzes herausgestrichen.66 Freilich galt die strikt verstandene „blue pencil rule“ vielen schon bald als zu starr und unsachlich. Denn auch das Streichen von Vertragstext sei ein richterlicher Eingriff in den Vertrag.67 Die „blue pencil rule“ räume der formellen Gestaltung des Vertrags ein überproportionales Gewicht ein68 und sei eine Einladung zu ausufernden Formulierungen.69 Daher wurde sie in unterschiedlichen Ausprägungen fortentwickelt. Beispielsweise hat § 184 Restatement (Second) of Contracts aus dem Jahr 1979 die – noch in § 518 Restatement (First) of Contracts (1932) niedergelegte70 – „blue pencil rule“ zugunsten einer flexibleren Regelung verworfen, die verbreitet als „rule of reasonab- leness“ bezeichnet wird und dem Gericht auch gewisse Umformulierungen gestattet.71 Bis heute ist die Rsp der Gerichte, insbesondere in den einzelnen US-Bundesstaaten, uneinheitlich; der „blue pencil test“ ist somit keineswegs nur Teil der Rechtsgeschichte72, sondern in verschiedenen „Spielarten“ gelebte Praxis (zB „strict“ und „liberal blue pencil doctrine“).73 64 Siehe (anstelle vieler) Richards, Law of Contract8 (2007) 333 ff. 65 Siehe zB Court of Appeal 17. 12. 1914, Goldsoll versus Goldman, [1915] 1 Ch 292: „business of a vendor of or dealer in real or imitation jewellery in the county of London or any part of the United Kingdom of Great Britain and Ireland [?] and the Isle of Man or in France, the United States, Russia, or Spain, or within twenty-five miles of Potsdamerstrasse, Berlin, or St. Stefans Kirche, Vienna“; Court of Appeals of Indiana 31. 8. 1982, Seach versus Richards, Dieterle & Co, 439 N.E.2d (North Eastern Reporter, Second Series) 208: „present, past, and prospective clients“. 66 Supreme Court of Ohio 2. 4. 1975, Raimonde versus van Vlerah, 42 Ohio St. 2d (Ohio State Reports, Second Series) 21; English Court of Appeal 23.02.2001, Watford Electronics Limited versus Sanderson CFL Limited, [2001] EWCA Civ (England and Wales Court of Appeal Civil Division) 317; Court of Appeal (Civil Division) 15. 4. 2008, Regus (UK) Ltd versus Epcot Solutions Ltd, [2008] EWCA Civ 361; vgl auch Lawson, Exclusion Clauses and Unfair Contract Terms10 (2011) Rz 9.28. 67 Supreme Court of Ohio 2. 4. 1975, Raimonde versus van Vlerah, 42 Ohio St. 2d 21. 68 Supreme Court of Alaska 1. 7. 1988, Data Management Inc versus Greene and Van Camp, 757 P.2d 62: „‚Blue pencil‘ approach to overbroad covenants not to compete, which allows court to delete words if the covenant could be- come enforceable by doing so, is too mechanical in that it values wording of contract over its substance“. 69 Zahlreiche Nachweise bei Nicholls, BFLR-CAN 18, 285 (bei Fn 6 ff); Pivateau, Putting The Blue Pencil Down: An Argument For Specificity In Noncompete Agreements, NELR (Nebraska Law Review) 86 (2008) 673 (681 ff). 70 Siehe dazu die Nachweise bei Handler/Lazaroff, Restraint Of Trade And The Restatement (Second) Of Contracts, NYULR (New York University Law Review) 57 (1982) 669 (671 Fn 6). 71 Vgl Supreme Court of Ohio 2. 4. 1975, Raimonde versus van Vlerah, 42 Ohio St. 2d 21. 72 Diesen Eindruck erweckt insb Uffmann, Verbot 160 („Im anglo-amerikanischen Rechtskreis stützt man sich […] mittlerweile nicht mehr auf die ‚blue-pencil-rule‘ […].“); vgl auch Thüsing, BB 2006, 661. 73 Murray, Murray on Contracts5 (2011) § 99 E; Pivateau, NELR 86, 682 ff, je mwN; vgl auch Emanuel, Contracts (2010) 448 f.
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Austrian Law Journal Band 2/2015
Titel
Austrian Law Journal
Band
2/2015
Autor
Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgeber
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Ort
Graz
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
19.1 x 27.5 cm
Seiten
100
Schlagwörter
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Kategorien
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