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ALJ 2/2015 Wolfgang Faber 219
genommen zutrifft. Dass dies einiger modellhafter Vereinfachungen bedarf – immerhin muss
man den im Exekutionsfall lukrierbaren Erlös des Anwartschaftsrechts mit den geleisteten Teil-
zahlungen gleichsetzen33 – mag hingenommen werden. Umgekehrt besteht ja auch die Möglichkeit,
dass der Käufer unter Einsatz der Vorbehaltssache sonst nicht eintretende Gewinne zu erwirt-
schaften imstande ist, was den allgemeinen Haftungsfonds im Einzelfall erhöhen kann.
Zweitens liegt jedenfalls im Grundsatz der Gedanke durchaus nahe, einem Argument, das sich
auf wertmäßiges Gleichbleiben des schuldnerischen Haftungsfonds gründet, Relevanz für Publizi-
tätsfragen beizumessen. Negative Veränderungen des dem Gläubigerzugriff offenstehenden
Vermögens sind es ja gerade, wovor Publizitätsregeln potenzielle Drittgläubiger nach gängigem
Verständnis warnen sollen. Treten solche nachteiligen Veränderungen nicht ein, so der Gedanke,
bedarf es auch keiner Warnung.
2. Tauglicher Differenzierungsgesichtspunkt?
Noch nicht beantwortet ist damit allerdings die Frage, inwieweit hiermit ein für die Legitimation
völlig konträrer Publizitätsanforderungen relevanter Unterschied zwischen Eigentumsvorbehalt
und Pfandbestellung (bzw Sicherungsübereignung) dargetan ist. Derselbe Gedanke des nähe-
rungsweisen Gleichbleibens des Haftungsfonds trotz Sicherungsbestellung müsste ja – Dritt-
pfandbestellung ausgenommen – jedenfalls bei Investitionskrediten sehr weitgehend ebenfalls
einschlägig sein: Wer eine vorhandene Sache mit einem Pfandrecht belastet, um Kreditmittel zu
erhalten, füllt den Haftungsfonds durch diese Mittel und/oder das damit angeschaffte Investitions-
gut wieder auf. Beides steht dem Gläubigerzugriff offen wie zuvor die nunmehrige Pfandsache.
Dennoch wird hier Publizität verlangt, beim Eigentumsvorbehalt jedoch nicht. Als Differenzierungs-
gesichtspunkt für Publizitätsanforderungen scheint das hier diskutierte Argument daher zumin-
dest ernsthaft infrage gestellt.
Hiergegen könnte der Einwand erhoben werden, dass Pfandrechte natürlich nicht nur zur Siche-
rung von Investitionskrediten bestellt werden können bzw dass die Pfandrechtspublizität wohl
nicht vorrangig mit Blick auf derartige Kredite angeordnet worden sei.34 Der erstgenannte Aspekt
trifft ohne Zweifel zu: Die pfandgesicherte Forderung kann beliebigen Zwecken dienen. Insb
wenn die Schuld eines Dritten gesichert wird bzw generell wenn die pfandgesicherten Kreditmit-
tel Dritten zugutekommen, kann von einem gleichbleibenden Haftungsfonds des Pfandbestellers
keine Rede sein. Eine Antwort zum zweitgenannten Aspekt muss hingegen differenzierter ausfallen:
Die in den Vorarbeiten zum ABGB als tragend empfundenen Gründe für die Übernahme des Faust-
pfand- bzw Publizitätsprinzips beim Pfandrecht sind in den durch Harras von Harrasowsky und Ofner
publizierten Gesetzesmaterialien35 nicht dokumentiert; in Zeillers früher Kommentierung ist nur von
einem recht allgemein formulierten Warnzweck die Rede.36 Man wird annehmen dürfen, dass die
33 Vgl oben FN 29. Siehe ferner das in FN 32 umschriebene, aus Vereinfachungsgründen ausgeblendete Szenario.
34 Diesen Gesichtspunkt verdanke ich Univ.-Prof. Dr. Christian Holzner, Universität Linz.
35 Harras von Harrasowsky, Der Codex Theresianus und seine Umarbeitungen I-III (1883–1884), IV (1886), V (1886);
Ofner, Der Ur-Entwurf und die Berathungs-Protokolle des Oesterreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetz-
buches I und II (1889).
36 Zeiller, Referent der zweiten Hofkommission in Gesetzgebungssachen, führt in seiner bald nach Gesetzwerdung
erschienenen Kommentierung des § 451 ABGB als einziges Motiv an: Der körperlichen Übergabe der Pfandsache
bedürfe es, „damit jedermann auf die Einschränkung des Eigenthümers aufmerksam gemacht und gewarnet
werde“. Siehe Zeiller, Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für die gesammten Deutschen
Erbländer der Oesterreichischen Monarchie II/1 (1812) 256.
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Austrian Law Journal
Band 2/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 100
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal