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ALJ 2/2015 Eigentumsvorbehalt und Publizität 222
C. Kaufrechtliche Perspektiven: kein Nachteil für Vorleistung, Annäherung an
das Zug-um-Zug-Prinzip
Eine weitere Gruppe von Gründen, die für die publizitätslose Zulässigkeit des Eigentumsvorbehalts
ins Treffen geführt wird, zeichnet sich durch starke Reminiszenzen an das Kaufrecht aus; genauer
an das dort hohen Gerechtigkeitsgehalt beanspruchende Zug-um-Zug-Prinzip (vgl § 1052 ABGB).
1. Verzicht auf Publizität als Ausgleich für Entgegenkommen des Verkäufers
Hierher gehört einmal der bisweilen erwähnte Gesichtspunkt, dem Verkäufer, der zur Vorleistung
an sich nicht verpflichtet wäre, sollten für sein Entgegenkommen keine Nachteile entstehen.42
Also, so muss man den Gedanken weiterspinnen, soll zur dinglichen Absicherung seiner Kauf-
preisforderung auch ein publizitätsloses Sicherungsinstrument genügen dürfen.
Dieser Gedankengang fordert auf mehreren Ebenen zum Widerspruch heraus. Zum ersten fun-
gieren als Ausgangspunkt der Argumentation ausschließlich Elemente, die der rein zweipersonalen
Beziehung von Verkäufer und Käufer entstammen: das Entgegenkommen des Verkäufers; der
Vorteil für den Käufer, den dieses Entgegenkommen impliziert; das Hintanhalten eines Nachteils,
welches dem Verkäufer hierfür gebührt. Die Publizität, auf die als Konsequenz dessen verzichtet
werden soll, versteht sich hingegen als Drittschutzmechanismus: Des Käufers Gläubiger im weites-
ten Sinn, also Personen, die die beim Käufer befindliche Vorbehaltssache von diesem erwerben
oder allenfalls ein Sicherungsrecht an dieser begründen wollen, sowie Personen, die in Erwägung
ziehen, dem Käufer ungesichert zu kreditieren, würden im Fall der Publizitätspflicht eine Warnung
erhalten, dass ihnen der Vorbehaltsverkäufer vorgehen würde. Man kann für den propagierten
Vorteil des einen (des Käufers) nicht gut einen Dritten (die Gläubiger) aufkommen lassen. Die
zweipersonale Grundlage ist für das zumindest dreipersonale Ergebnis des Arguments schon im
Ansatz irrelevant.
Daneben lässt sich der Verkäufer sein „Entgegenkommen“ jedenfalls bei langen Zahlungszielen
typischerweise durch einen Preisaufschlag oder Verzicht auf einen sonst gewährten Preisnachlass,
faktisch also durch Verzinsung des Kaufpreises abgelten. Warum man ihn dann auch noch auf
anderer Ebene vor „Nachteilen“ schützen sollte, leuchtet auch aus diesem Grund nicht unmittelbar
ein. Machte man mit allgemeinen Fairnesserwägungen der hier diskutierten Art Ernst, müsste
man konsequenterweise noch einige Schritte weiter gehen. Schließlich erbringt bei jedem Kredit,
also auch bei einem durch Pfand gesicherten (!), der Kreditgeber seine Leistung zuerst und erhält
die Gegenleistung erst zu einem späteren Zeitpunkt. Ein Differenzierungsgesichtspunkt zwischen
Eigentumsvorbehalt und Pfandsicherung, der allenfalls für Publizitätsfragen fruchtbar gemacht
werden könnte, ergibt sich aus dem Vorleistungs-Gesichtspunkt folglich nicht. Mehr noch, auf ein
Anrecht auf Privilegierung müssten sich bei Gültigkeit des hier besprochenen Arguments letztlich
alle Vorleistenden unter Einschluss ungesicherter Kreditgeber in grundsätzlich gleichem Maße
berufen können.
42 Wiederum referiert (nicht aber unterstützt) bei Aichinger, ZfRV 2010, 274.
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Austrian Law Journal
Band 2/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 100
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal