Seite - 230 - in Austrian Law Journal, Band 2/2015
Bild der Seite - 230 -
Text der Seite - 230 -
ALJ 2/2015 Eigentumsvorbehalt und Publizität 230
Nach hier vertretener Auffassung ist dieser Weg einer analogen Anwendung der pfandrechtlichen
Publizitätsvorschriften allerdings nicht gangbar. Denn Voraussetzung für den Analogieschluss
wäre das Vorliegen einer planwidrigen Lücke im Gesetz.74 An der Planwidrigkeit fehlt es aber:
Zwar hat der österreichische Gesetzgeber den Verzicht auf Publizitätsanforderungen niemals
expressis verbis festgeschrieben. Er hat jedoch nach Inkrafttreten des ABGB den Eigentumsvorbe-
halt in seiner praktisch geübten und von Rsp und hL seit Jahrzehnten anerkannten (publizitätslosen)
Form bei verschiedenen Gelegenheiten als wirksam vorausgesetzt. Deutlich wird dies bspw in
den Gesetzesmaterialien zu dem mit der 3. Teilnovelle eingeführten § 297a ABGB. Der Herren-
hausbericht hält fest: „[…] [F]ür das Recht unseres a.b.B.G. [sic!] ist an der Gültigkeit des Eigen-
tumsvorbehaltes (arg. § 1063 a.b.G.B.) nicht zu zweifeln und die Frage die, ob der Eigentumsvor-
behalt die Pertinenzeigenschaft der Maschine unmöglich macht.“75 Auch in der „schwankenden
Judikatur“ zur Zubehöreigenschaft von Maschinen, auf die der Gesetzgeber zur Begründung seines
Einschreitens verweist, fungiert die grundsätzliche Wirksamkeit des publizitätslosen Eigentums-
vorbehalts als nicht in Zweifel gezogener Ausgangspunkt.76 Ebenso verhält es sich bei Erlassung
des Ratengesetzes 1961: § 10 Abs 1 Z 9 RatenG bestimmt, dass bei Vereinbarung eines Eigen-
tumsvorbehalts zur Sicherung der aushaftenden Teilzahlungsforderungen dieser Umstand im
Ratenbrief festgehalten werden muss. Anwendbar ist diese Vorschrift auf „Abzahlungsgeschäfte“
iSd § 1 RatenG, was definitionsgemäß voraussetzt, dass der Verkäufer sich zur Übergabe der
Sache vor vollständiger Zahlung des Kaufpreises verpflichtet (§ 1 Abs 2 RatenG). Faktisch kann
der Gesetzgeber dabei nur die publizitätslose Begründung des Eigentumsvorbehalts vor Augen
gehabt haben.77 Der Gesetzgeber des KSchG schreibt dieses Konzept fort: Ein vereinbarter Eigen-
tumsvorbehalt muss im Ratenbrief festgehalten werden (§ 24 Abs 1 Z 9 KSchG), der Anwen-
dungsbereich der Regelung ist auf Kaufverträge mit Sachübergabe vor vollständiger Kaufpreis-
zahlung beschränkt (§ 16 Abs 1 und 2 KSchG).78 Damit hat der Gesetzgeber die publizitätslose
74 Vgl bloß F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 472 ff (insb 475); Larenz, Methodenlehre
der Rechtswissenschaft6 (1991) 370 ff (insb 373 f zur Abgrenzung zwischen relevanter Gesetzeslücke und rechts-
politischem Fehler des Gesetzes).
75 Bericht der Kommission für Justizgegenstände über die Gesetzesvorlage, betr die Änderung und Ergänzung
einiger Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, Nr 78 der Beilagen zu den stenographischen
Protokollen des Herrenhauses, XXI. Session 1912 (im Folgenden kurz: Herrenhausbericht) 38 (Hervorhebung im
Original).
76 Die im Herrenhausbericht 37 angeführte Entscheidung OGH Rv I 935/9, GlUNF 4806 führt etwa aus, der Eigen-
tumsvorbehalt sei durch Begründung der Zubehöreigenschaft (konkret infolge Montage durch den Lieferanten
selbst) „wirkungslos geworden. Dieser Eigentumsvorbehalt konnte nur insolange eine Wirkung äußern, als die feste
Verbindung der Anlage mit dem Gebäude noch nicht bewerkstelligt war […]“. (Hervorhebungen hinzugefügt).
Ähnlich in der Sache das im Herrenhausbericht 37 ebenfalls zitierte Judikat OGH Nr 18.931, GlUNF 2578: „Der
Vorbehalt des Eigentums […] verliert jedenfalls jede rechtliche Wirkung, wenn“ die verkaufte bewegliche Sache
Zubehör der Betriebsliegenschaft wird (Hervorhebung wiederum hinzugefügt). Wenn die – publizitätslos erzielte –
Wirkung des Eigentumsvorbehalts durch Begründung der Pertinenzeigenschaft „verloren geht“, muss sie zunächst
bestanden haben.
77 Die Materialien zum RatenG BGBl 1961/279 gehen auf die Frage etwaiger Publizitätsvoraussetzungen (bzw ein
Absehen hiervon) nicht ein, betonen aber mehrfach die für das Vorliegen eines Abzahlungsgeschäfts quasi begriffs-
notwendige Übergabe der Kaufsache vor vollständiger Zahlung (ErläutRV 421 BlgNR 9. GP 8 und JAB 491 BlgNR 9.
GP 2, jeweils zu § 1 RatenG). Im Schrifttum wird hierzu ausgeführt, dass der Käufer tatsächlich in den Genuss der
gekauften Sache kommen müsse und eine „Übergabe“ durch Besitzkonstitut für den Tatbestand des Abzahlungsge-
schäfts nicht in Betracht komme; vgl Edlbacher, Kommentar zum Ratengesetz (1962) 27 (Anm 6 zu § 1 betr den
Tatbestand des Abzahlungsgeschäfts) bzw 44 f (Anm 1 zu § 3 betr den Zeitpunkt der Anzahlung). – Das ursprüng-
liche RatenG RGBl 1896/70 hatte noch keine Regelungen zum Eigentumsvorbehalt enthalten.
78 Die Gesetzesmaterialien zum KSchG verweisen hierzu lediglich auf die Vorgängerbestimmungen im RatenG
1961; vgl ErläutRV 744 BlgNR 14. GP 38 bzw 40 (zu § 16 Abs 2 bzw § 24 Abs 1 KSchG).
zurück zum
Buch Austrian Law Journal, Band 2/2015"
Austrian Law Journal
Band 2/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 100
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal