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Austrian Law Journal, Band 2/2015
Seite - 269 -
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ALJ 2/2015 Thomas Mühlbacher 269 feststellungen der Geschworenen im Rechtsmittelweg geltend machen, ohne dass der OGH jedoch die Beweiswürdigung – die bundesverfassungsgesetzlich (Art 91 Abs 2 B-VG) ausschließ- lich den Geschworenen zugewiesen ist – nach eigener Überzeugung revidieren könnte (§ 349 Abs 1 StPO nF). Ich hätte Ihnen auch jedes andere Geschworenengerichtsurteil präsentieren können. Zur Schuld- frage wird sich in jedem Fall nur der Hinweis finden: „Der Schuldspruch gründet sich auf den Wahrspruch der Geschworenen.“ Der Begriff „Wahrspruch“ zeigt bereits die grundsätzliche Problematik der Geschworenenge- richte. Der Spruch der Geschworenen birgt die Wahrheit in sich und bedarf daher keiner Begrün- dung: „Das Gesetz fordert von den Geschworenen keine Rechenschaft über die Gründe ihrer Überzeugung.“ Dieser, aus § 332 der StPO 1850 stammende Satz wurde 100 Jahre später, bei der Wiedereinführung der Geschworenengerichte 1950, zwar nicht mehr ausdrücklich in den Rechtsbestand übernommen, inhaltlich änderte sich an den Rechten und Pflichten der Ge- schworenen aber nichts.2 Die Wiedereinführung der Geschworenengerichte in der Zweiten Republik war heftig umstritten, maßgebliche Strafrechtslehrer und Praktiker wie etwa Kadecka, Rittler und Graßberger sprachen sich dagegen aus.3 Der große Reformer Christian Broda hingegen begründete sein Eintreten für die Geschworenengerichte mit dem (politischen) Argument, dass in Österreich deren Abschaf- fung stets mit der Herrschaft autoritärer Regime einherging. Vice versa ergibt sich daraus frei- lich auch, dass Geschworenengerichte in Zeiten, in den sie den ihnen zugedachten Zweck der besonderen Absicherung eines rechtsstaatlichen Strafprozesses erfüllen sollen, ohnedies be- seitigt werden, während sie in gefestigten demokratischen Rechtsstaaten nicht erforderlich sind. Moos4 sieht die Geschworenengerichte als historischen Fremdkörper in unserem Justizsystem, der sachlich nicht mehr gerechtfertigt werden kann. Nicht die Volksmeinung sollte zählen, sondern die strikte Rechtsstaatlichkeit. Auch Burgstaller5, der auf die effektive Mitwirkung von Volksver- tretern in der Strafjustiz nicht verzichten möchte und daher grundsätzlich für eine Beibehaltung der Geschworenengerichte eintritt, räumt ein, dass die zentralen Gründe, um derentwillen im 19. Jahrhundert die Einführung der Geschworenengerichte erkämpft wurde – Schaffung eines Frei- raumes gegenüber dem absolutistischen Staat, Verhinderung der Kabinettsjustiz, generelles Misstrauen gegenüber beamteten Berufsrichtern – gegenstandslos geworden oder doch nicht mehr tragfähig sind. Die Einführung der Geschworenengerichte wurde im Übrigen auch 1850 und 1873 nicht einhellig jubelnd begrüßt, vielmehr herrschte ein Meinungsstreit, aus dem schließlich Glaser gegen Hye von Glunek siegreich hervorging. Auch waren die großen Errungenschaften der Revolution des Jahres 1848 viel weniger die Geschworenengerichte, als die Abschaffung der Patrimonialge- 2 Moos, Die Begründung der Geschworenengerichtsurteile, JBl 2010, 73 (76). 3 Siehe dazu umfassend Brandstetter, Zur Reform des strafprozessualen Hauptverfahrens, 15. ÖJT Bd IV/1 (2003); Moos, Das Geschworenengericht in Österreich im Vergleich mit dem Kanton Zürich, in FS Rehberg (1996) 205. 4 Moos, JBl 2010, 83. 5 Burgstaller, Argumente für die Geschworenengerichtsbarkeit, JBl 2006, 69 (75). Zuzustimmen ist Burgstaller vor allem auch darin, dass die Entscheidung für oder gegen Geschworenengerichte und auch die zu ihr führenden Abwägungen von Grundwertungen abhängen, die mit einer wissenschaftlichen Argumentation sicher nicht hin- reichend erfasst werden können. Das, worauf es letztlich ankommt, ist schlicht eine politische Entscheidung.
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Austrian Law Journal Band 2/2015
Titel
Austrian Law Journal
Band
2/2015
Autor
Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgeber
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Ort
Graz
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
19.1 x 27.5 cm
Seiten
100
Schlagwörter
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Kategorien
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