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Austrian Law Journal, Band 2/2015
Seite - 272 -
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ALJ 2/2015 Geschworenengerichte – unbegründete Sorge? 272 eine große Freiheit in der Wahl der Mittel, die sicherstellen sollen, dass ihr Rechtssystem den Erfordernissen des Art 6 EMRK entspricht.11 B. Die Diskussion in Österreich Der OGH hatte sich bereits vor der Entscheidung der Großen Kammer zu 15 Os 181/09w nicht veranlasst gesehen, einen Antrag gemäß Art 89 Abs 2 zweiter Satz B-VG beim VfGH zu stellen, zumal ein Wahrspruch alle jene wesentlichen Sachverhaltselemente, die zur Subsumtion erfor- derlich sind, enthalte und das Urteil demnach in diesem Sinn „durchaus als begründet anzusehen“ sei. Eine Anfechtungsmöglichkeit biete – wenn auch in eingeschränktem Umfang – § 345 Abs 1 Z 10a StPO. Die genannte Entscheidung des EGMR bemängle demgegenüber das gänzliche Fehlen einer Begründung des sachverhaltsmäßig nicht hinreichend konkretisierten belgischen Urteils sowie dessen weitgehende Unanfechtbarkeit und biete demgemäß keine Vergleichsgrundlage. Auf dieser Auffassung beharrt der OGH seither textbausteinartig in einer Reihe weiterer Ent- scheidungen.12 Die Strafprozessordnung enthalte sämtliche nunmehr von der Großen Kammer des EGMR beispielhaft geforderten Verfahrenssicherheiten, nämlich die Rechtsbelehrung oder Anleitung der Geschworenen durch den vorsitzenden Richter oder die Stellung präziser, eindeuti- ger Fragen, die ein Gerüst schaffen, auf welches der Schuldspruch gestützt wird. § 345 Abs 1 StPO sichere als effektive Rechtsschutznorm die Einhaltung dieser Garantien. Lewisch13, einem der wenigen verbliebenen erklärten Verteidiger der Geschworenengerichte, ist durchaus beizupflichten, dass im Ergebnis diesen Entscheidungen des OGH zuzustimmen ist. Zunächst gehe es schon aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht darum, dem VfGH mögliche verfas- sungsrechtliche Bedenken zur Kenntnis zu bringen, sondern einen Aufhebungsantrag zu stellen, für den es einer Verdichtung von Einwänden bedarf. Konventionswidrig sei das geschworenenge- richtliche Verfahren eben nicht und innerstaatlich verfassungsrechtlich schon gar nicht bedenklich. Doch kann das nicht das Ende der Debatte sein. Die Frage lautet nämlich nicht, ob Urteile durch Geschworenengerichte verfassungs- und konventionskonform sind, sondern ob sie in einem modernen Rechtsstaat rechtspolitisch geboten sind. Die Stimme des OGH hat auch in der Rechts- fortentwicklung Gewicht. Es kommt also nicht nur darauf an, was er tut oder wozu er sich eben nicht veranlasst sieht, sondern auch auf die Gründe, die ihn dazu bewegen. Pilnacek14 zeigt zu Recht auf, dass sich der OGH mit dem schlanken Hinweis, dass die Entschei- dung des EGMR das gänzliche Fehlen einer Begründung des sachverhaltsmäßig nicht konkreti- sierten belgischen Urteils sowie dessen weitgehende Unanfechtbarkeit bemängelt und daher keine Vergleichsgrundlage bietet, einer vertiefenden Auseinandersetzung entzieht. Der OGH tue zwar gut daran, der Rechtsfortbildung enge Grenzen zu stecken und rechtspolitisch umstrittene Fragen nicht an sich zu ziehen. Seinem eigenen Selbstverständnis würde es jedoch ebenso gut tun, bei nächster Gelegenheit auch den zweiten Teil der Begründung der Taxquet-Entscheidung der Großen Kammer ernst zu nehmen und die Regelungen der StPO und ihre konkrete Anwen- 11 Siehe dazu ausführlich Rueprecht, EGMR stellt Geschworenengericht nicht in Frage, JSt 2010, 200. 12 OGH 15 Os 162/10b RZ 2011/EÜ 228 = JBl 2012, 228 (Pilnacek) = JBl 2012, 265; OGH 14 Os 43/11x JBl 2012, 496 (Lewisch); OGH 12 Os 48/11t EvBl 2011/121 = AnwBl 2012, 64 = JBl 2012, 496 (Lewisch) = JBl 2012, 539. 13 Lewisch, JBl 2012, 498. 14 Pilnacek, Zur Bedeutung der Taxquet-Entscheidung des EGMR für das österreichische Geschworenenverfahren – Bemerkungen zu OGH 25. 5. 2011, 15 Os 162/10b, JBl 2012, 228 (228).
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Austrian Law Journal Band 2/2015
Titel
Austrian Law Journal
Band
2/2015
Autor
Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgeber
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Ort
Graz
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
19.1 x 27.5 cm
Seiten
100
Schlagwörter
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Kategorien
Zeitschriften Austrian Law Journal
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