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ALJ 2/2016 Christoph Bezemek 110
Ende des letzten Jahres hat der VfGH erstmals über eine solche Regelung, konkret über eine
ortspolizeiliche Verordnung des Innsbrucker Gemeinderats,5 mit der für Teile der dortigen Innen-
stadt „der Konsum und die Mitnahme von alkoholischen Getränken verboten“ worden war,6 be-
funden. 7
Hintergrund und Ausgang sind rasch skizziert: Der Fall wurde über eine Selbstanzeige eines Vize-
rektors der Universität Innsbruck und eines Stadtrats ins Rollen gebracht, die auf diesem Weg
eine Leitentscheidung des VfGH zur freien Nutzung des öffentlichen Raumes provozieren woll-
ten.8 Dementsprechend monierten die beiden Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen
Verfahren wesentlich das Fehlen eines ortsspezifischen Missstandes und wendeten sich in
grundrechtlicher Perspektive vor dem Hintergrund ihrer Rechte auf Achtung ihres Privatlebens
sowie auf freie Meinungsäußerung gegen die Verordnung bzw gegen ihre Anwendung im konkre-
ten Fall.
Die Stadtverwaltung wiederum argumentierte, die Verordnung wirke durchaus einem das örtliche
Gemeinschaftsleben störenden Missstand entgegen: Der öffentliche Alkoholkonsum gehe näm-
lich einher mit Pöbelei, Lärmbelästigung und der Verunreinigung des öffentlichen Raumes durch
Unrat, Erbrochenem und die dort verrichtete Notdurft.9 Der VfGH wies, dieser verwaltungsseitig
vermittelten Urgenz entsprechend, die Beschwerden ohne allzu große Umschweife ab.
II. (K)eine Entscheidungsbesprechung
Die knappe Begründung des Erkenntnisses mag dagegen streiten, es als die von den Beschwer-
deführern ersehnte Leitentscheidung anzusehen. Akademische Larmoyanz darob scheint indes
nur bedingt angezeigt. Denn gerade in akademischer Perspektive sind ja straff argumentierte
Entscheidungen denkbar begrüßenswert, weil sie (jedenfalls typischerweise) ein besonders wei-
tes Betätigungsfeld bieten. Das ist auch für die vorliegende anzunehmen: etwa zur Frage, seit
wann der VfGH dazu übergegangen ist, schon in der zusammenfassenden Darlegung der Rechts-
lage, also gleichsam präventiv, mit dem Instrument der verfassungskonformen Interpretation zu
operieren.10 Oder zum Problem, warum die vorgebrachte Aktionismuseinrede, man habe gerade
durch den Alkoholkonsum gegen das Konsumverbot protestieren wollen, schon dem Grunde
nach unbeachtlich sein soll.11 Vor allem aber zu der in den Randnummern 29 und 32 geborgenen
Frage, inwiefern die (rhetorisch ja durchaus wirksame, dogmatisch aber unbeachtliche) wieder-
5 Gemeinderatsbeschlüsse vom 30. 9. 2008 und 12. 6. 2014.
6 § 1 Alkoholverbots-VO Innsbruck (E-14).
7 VfGH 9. 12. 2015, E 50/2015, E 59/2015.
8 Kurier 12. 7. 2014, Grüne wollen das Alkoholverbot kippen: Stadtrat und Vizerektor der Uni Innsbruck wollten
Abmahnung provozieren.
9 VfGH 9. 12. 2015, E 50/2015, E 59/2015.
10 VfGH 9. 12. 2015, E 50/2015, E 59/2015 Rz 18: „§ 1 der Verordnung idF 2014 verbietet es, an den in den Planbeila-
gen zur VO gekennzeichneten öffentlichen Orten alkoholische Getränke zu konsumieren und [gemeint wohl:
zum Konsum] mitzunehmen. Von diesem Verbot sind in den Z 2 und 3 des § 1 der Alkoholverbots-VO Ausnah-
men vorgesehen, die den Konsum und/oder die Mitnahme alkoholischer Getränke erlauben.“
11 VfGH 9. 12. 2015, E 50/2015, E 59/2015 Rz 35: „Dass der vorgebrachte Beweggrund für die Übertretung der
Alkoholverbots-VO, gegen das Alkoholverbot zu protestieren, an der Strafbarkeit nichts ändert, ist aus verfas-
sungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden; andernfalls wäre es nämlich nur allzu leicht, das als verfassungs-
konform erkannte Verbot (vgl. Pkt. III.1.) in der Praxis zu unterlaufen.“
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Austrian Law Journal
Band 2/2016
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2016
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 40
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal