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Austrian Law Journal, Band 2/2016
Seite - 113 -
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ALJ 2/2016 Allgemeine Handlungsfreiheit im System der österreichischen Bundesverfassung 113 Vorschrift erlassen hat, steht es den Rechtsunterworfenen frei, ihr Handeln und Unterlassen nach eigenem Dafürhalten auszurichten.30 Freiheit ist dann eben, was bleibt; insoweit ja, wie es Georg Jellinek zugespitzt hat, „Unterwerfung und Freiheit von Unterwerfung […] die beiden einan- der ausschließenden Möglichkeiten [sind], die dem Staate bei der Normirung seiner Verhältnisse zum dem Subjicirten zur Verfügung stehen“.31 Freilich: Der Umfang des so umschriebenen Freiraums lässt sich auf dem grünen Tisch der Theo- rie nur schwer jenseits von Allgemeinplätzen vorzeichnen. Hobbes selbst etwa hat dazu in De Cive festgehalten, dass das notwendige Maß gesetzlicher Regulierung konkret am Wohl der Gemein- schaft auszurichten ist.32 Eine spezifische Grenzziehung erlaubt uns diese Einsicht aber nicht.33 Fest steht nur, dass jeder Rechtsordnung das zu eigen ist, was Hans Kelsen mehr als 300 Jahre nach Hobbes als „Freiheitsminimum“ bezeichnet hat; als Resultat einer „selbst unter einer noch so totalitären Rechtsordnung [bestehenden] unveräußerlichen Freiheit“.34 Im Schrifttum firmiert diese „unveräußerliche“ zuweilen unter „natürliche“ Freiheit.35 Doch auch, wenn es „zu[m] grundlegenden Verteilungsprinzip des bürgerlichen Rechtsstaates [gehört], daß die Freiheit des einzelnen vorausgesetzt wird und die staatliche Beschränkung als Ausnahme erscheint“,36 kann das Attribut „natürlich“ Verwirrung hervorrufen,37 insofern eben im gegebenen Zusammenhang keine vor- bzw außerstaatliche Freiheitsposition ausgemacht werden soll,38 son- dern eine durch die staatliche Rechtsetzung – wenn auch nur negativ – determinierte.39 Es mag also besser sein, zu betonen, dass es sich um eine – im doppelten Wortsinn – negative „rechtliche Freiheit“40 handelt;41 Ausdruck der selbstbestimmten Entfaltungsfähigkeit der Norm- unterworfenen innerhalb (und in Anbetracht) der Rechtsordnung,42 die ihrer Orientierungsfunk- tion entsprechend Handlungsoptionen offenlegt.43 30 Hobbes, Leviathan (1651) II 21: „In cases where the soveraign has prescribed no rule, there the subject hath the liberty to do, or to forbeare, according to his own discretion.“ Vgl zur Entwicklung dieses Gedankens mit Blick auf Art 4 DDHC (dazu oben FN 18) insb auch Sieyès, Essai sur les privileges (1788): „[C]haque citoyen, indistinctement, a un droit inattaquable, non à ce que la loi permet, puisque la loi n’a rien à permettre, mais à tout ce qu’elle ne défend pas.“ Aus Perspektive der österreichichischen Rechtswissenschaft nur Merkl, Allgemeines Verwaltungs- recht (1927) 160. 31 Jellinek, System der Subjektiven Öffentlichen Rechte (1892) 104. 32 Hobbes, De Cive (1642) XIII, 15: „Mensura hujus libertatis ex bono civium et civitatis capienda est. Quare contra officium eorum qui imperant, et legum ferendarum autoritatem habent, in primis est, ut plures leges sint, quam ad bonum civium et civitatis necessario conducat.“ 33 Wie Somek (Rationalität und Diskriminierung [2001] 518) betont, wohl der „banalste[…] unter allen verfassungs- rechtlichen Gedanken“. 34 Kelsen, Reine Rechtslehre² (1960) 45. 35 Vgl auch Bentham, Pannomial Fragments, in Bowring (ed), The Works of Jeremy Bentham III (1843) 217–218. Zur naturrechtlichen Konstruktion eines „right to liberty“ insb Hart, Are There Any Natural Rights? The Philosophical Review 1955, 175. 36 Schmitt, Verfassungslehre9 (2003) 166. 37 Gerade vor dem Hintergrund kontraktualistischer Staatstheorien, die dieses Bild des bürgerlichen Rechtsstaates entscheidend geprägt haben, aber eben wie etwa jene Kants vielfach davon ausgehen, der Mensch habe mit dem Eintritt in den Staatsverband seine „wilde gesetzlose Freiheit gänzlich verlassen, [eben] um seine Freiheit in einer gesetzlichen Abhängigkeit, d.i. in einem rechtlichen Zustand […] wieder zu finden.“ – AA VI 316. 38 So insb auch Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten (1997) 365. 39 Vgl nur Ross, On Law and Justice (1959 [Nachdruck 2012]) 165. 40 Alexy, Theorie 203. 41 Vgl insgesamt Kelsen, Rechtslehre² 43. 42 Vgl etwa Somek, Individualism (2008) 235. 43 Dazu näher Bezemek, Freiheit als europäischer Begriff in rechtswissenschaftlicher Perspektive, in Sedmak (Hrsg), Freiheit: Vom Wert der Autonomie (2013) 199 (207).
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Austrian Law Journal Band 2/2016
Titel
Austrian Law Journal
Band
2/2016
Autor
Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgeber
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Ort
Graz
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
19.1 x 27.5 cm
Seiten
40
Schlagwörter
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Kategorien
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