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ALJ 2/2017 Thomas Kröll 72
manisten), besser bekannt als die „Göttinger Sieben“,5 Robert von Mohl6 (Jurist) oder Karl Theodor
Welcker 7 (Jurist).
Nachdem Unterrichtsminister Franz von Sommaruga8 am 30. 3. 1848 in der Aula der Wiener Uni-
versität die Lehr- und Lernfreiheit proklamiert9 und erste Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung
gesetzt hatte,10 sollten im Frühjahr 1849 die von der Deutschen Verfassungsgebenden National-
versammlung in Frankfurt am Main am 20. 12. 1848 beschlossenen Grundrechte des Deutschen
Volkes,11 „die ersten parlamentarisch diskutierten und beschlossenen Grundrechte überhaupt“, so
Wilhelm Brauneder,12 und das mit der Märzverfassung13 am 4. 3. 1849 oktroyierte Grundrechtspa-
tent14 die Wissenschaftsfreiheit dem akademischen Forscher in Österreich erstmals auch gesetz-
lich bzw verfassungsgesetzlich garantieren. Beseitigte kurze Zeit später die konservative Reaktion
auch die konstitutionelle Errungenschaft dieses Grundrechtes,15 die zur Durchführung der Wis-
senschaftsfreiheit getroffenen Maßnahmen sollten Bestand haben,16 die Universitäten „zu oberst
[…] der Pflege echter Wissenschaftlichkeit“17 dienen. Seit der Rückkehr zum Konstitutionalismus am
22. 12. 186718 wird dem akademischen Forscher – aber nicht nur diesem – in Art 17 Abs 1 StGG19
die Wissenschaftsfreiheit garantiert, zunächst als staatsgrundgesetzlich gewährleistetes politi-
5 Sellert, Göttinger Sieben, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hrsg), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte II
(2012) 495; und Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte II2 96–106.
6 Stolleis, Mohl, Robert von (1799-1875), in Erler/Kaufmann (Hrsg), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsge-
schichte III (1984) 617.
7 Welker, Welcker, Karl Theodor (1790–1869), in Erler†/Kaufmann/Werkmüller (Hrsg), Handwörterbuch zur deutschen
Rechtsgeschichte V (1998) 1251.
8 Hye, Sommaruga, Franz Ser Vincenz Emanuel Frh von, in Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hrsg),
Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950 XII (58. Lfg 2005) 411.
9 Rede abgedruckt bei Heintl, Mittheilungen aus den Universitäts-Acten (1848) Nr 17.
10 Siehe dazu Kröll in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar zum Bundesverfassungsrecht (13. Lfg 2014)
Art 17 Abs 1, 5 StGG Rz 4.
11 Art VI § 22 Reichsgesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes vom 27. 12. 1848 RGBl 1848, 49; am
17. 1. 1849 in Kraft getreten gem Art I Z 10 Einführungsgesetz RGBl 1848, 57.
12 Brauneder, Die Gesetzgebungsgeschichte der österreichischen Grundrechte, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg),
Grund- und Menschenrechte in Österreich I (1991) 189 (235).
13 Kaiserliches Patent vom 4. 3. 1849, die Reichsverfassung für das Kaiserthum Österreich enthaltend RGBl 1948/150.
14 § 3 Satz 1 Kaiserliches Patent vom 4. 3. 1849, über die, durch die constitutionelle Staatsform gewährleisteten
politischen Rechte RGBl 1849/151. Zur Entstehung, zum Wesen und Wirken und zur Durchsetzbarkeit der Grund-
rechte des Patentes siehe Brauneder in Machacek/Pahr/Stadler 243–248 und 258–262.
15 Das Reichsgesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes vom 27. 12. 1848 wurde durch den Bundes-
beschluss über die Aufhebung der Grundrechte des deutschen Volkes vom 23. 8. 1851 vom Bundestag außer
Kraft gesetzt; abgedruckt bei Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte I3 (1986) 2. Das Grund-
rechtspatent vom 4. 3. 1849 wurde am 1. 1. 1852 durch die sog Sylvesterpatente vom 31. 12. 1851 aufgehoben;
Kaiserliche Patente vom 31. 12. 1851 RGBl 1852/2 und 1852/3.
16 Provisorisches Gesetz über die Organisation der akademischen Behörden RGBl 1849/401; Allgemeine Anord-
nungen über das Studienwesen an der juridisch-staatswissenschaftlichen, medizinisch-chirurgischen und philo-
sophischen Facultät der k. k. Universitäten für das Studienjahr 1849–50 RGBl 1849/416 Blg 1; und Provisorische
Disciplinar-Ordnung für die Universitäten RGBl 1849/416 Blg 2.
17 § 1 Provisorische Disciplinar-Ordnung für die Universitäten.
18 Gesetz vom 21. 12. 1867, womit der Zeitpunkt bestimmt wird, mit welchem das Gesetz, wodurch das Grundge-
setz über die Reichsvertretung vom 26. 2. 1861 abgeändert wird, das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen
Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, das Staatsgrundgesetz über
die Einsetzung eines Reichsgerichtes, das Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt, das Staatsgrundgesetz
über die Ausübung der Regierungs- und der Vollzugsgewalt, endlich das Gesetz, betreffend die allen Ländern der
österreichischen Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten und die Art ihrer Behandlung, in Wirksamkeit zu tre-
ten haben RGBl 1867/147.
19 Staatsgrundgesetz vom 21. 12. 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrathe vertre-
tenen Königreiche und Länder RGBl 1867/142.
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Austrian Law Journal
Band 2/2017
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2017
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 108
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal