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ALJ 2/2017 Cyber Crime â Der digitalisierte TĂ€ter 114
die Entziehung der Freiheit des Opfers, auch mit digitalisierten Handlungsweisen verwirklicht
werden können.
II. Medjacking â Attacke auf Herzschrittmacher
Ausgangsbeispiel: Y ist auf einen Herzschrittmacher angewiesen, der mit dem System des Kranken-
hauses vernetzt ist, in dem Y stÀndig behandelt wird. Der TÀter knackt das System, um Y zu töten.
Die Vorgehensweise des TĂ€ters ist im Grunde vergleichbar mit dem ersten Beispiel. Auch hier
nutzt er die Vernetzung der Systeme aus, dringt in ein Computersystem ein und manipuliert die-
ses. Die mögliche Konsequenz wiegt aber wesentlich schwerer und reicht von der bloĂen Ge-
fÀhrdung des Patienten bis hin zu seinem Tod.
Solche Attacken sind nicht bloĂ bei Herzschrittmachern vorstellbar. Bei Medizinprodukten be-
steht ein allgemeiner Trend hin zum Hightech-Produkt, etwa auch bei Insulinpumpen oder Hirn-
elektroden.22 Auch solche medizinische Hilfsmittel arbeiten auf Basis der Vernetzung und reagie-
ren abgestimmt auf und angepasst an den Bedarf des Patienten. Manipuliert sie der digitalisierte
TĂ€ter, nachdem er sich Zugang zu den relevanten Systemen verschafft hat, kann der betreffende
Patient vom TĂ€ter zB aufgrund einer im System herbeigefĂŒhrten Verabreichung einer Ăberdosis
an Insulin getötet werden.
Dass der TĂ€ter diesfalls fĂŒr die verursachten Körperverletzungs- und Tötungsdelikte verantwort-
lich ist, steht auĂer Frage, weil es fĂŒr die Strafbarkeit auf die technische Art und Weise der Her-
beifĂŒhrung einer Körperverletzung oder Tötung nicht ankommt. Die relevanten Delikte sind nĂ€m-
lich als Erfolgsverursachungsdelikte23 und somit technikneutral konzipiert.
Es stellt sich aber wieder die zusÀtzliche Frage, ob bereits das Eindringen in das System straf-
rechtlich relevant sein kann, ob also strafrechtliche Verantwortung spruchreif wird, bevor ĂŒber-
haupt noch eine Gesundheitsgefahr entsteht. In Frage kommt wieder § 118a StGB. Der TÀter
verschafft sich Zugang zu einem Computersystem, ĂŒber das er typischerweise nicht allein verfĂŒ-
gungsbefugt ist. Er handelt im Ausgangsbeispiel auch in der Absicht, durch Verwendung des
Computersystems dem betroffenen Patienten einen Nachteil zuzufĂŒgen; er will ihn ja töten.24
Ob § 118a StGB allerdings tatsÀchlich bereits im Vorfeld greift, wird oftmals davon abhÀngen, auf
welche technische Art und Weise der Zugriff auf das Computersystem erlangt wird. Immer wieder
wird nĂ€mlich berichtet, dass Zugriffe aufgrund von SicherheitslĂŒcken möglich sind.25 Nutzt der
TĂ€ter allgemein bekannte LĂŒcken aus und muss er daher fĂŒr die Erlangung des widerrechtlichen
Zugriffs auf das Computersystem gar keine besondere kriminelle Energie aufbringen, dann schei-
tert die Anwendung des § 118a StGB idR. Denn dann ĂŒberwindet er bei seinem Zugriff nicht â wie
22 Ua http://www.tagesanzeiger.ch/sonntagszeitung/Attacke-auf-den-Herzschrittmacher/story/28372909 (abgefragt
am 22. 3. 2017).
23 Zu diesem Begriff statt vieler Fuchs, Strafrecht AT I9 Kap 10/41.
24 Denkbar sind freilich auch FĂ€lle, in denen der TĂ€ter die Absicht hat, die jeweilige medizinische Einrichtung, die
ein solches System betreibt, oder den Hersteller des betreffenden Medizinproduktes mit Geldforderungen zu
konfrontieren und fĂŒr den Fall der Zahlungsverweigerung mit der SchĂ€digung des Patienten zu drohen.
25 Ua http://www.tagesanzeiger.ch/sonntagszeitung/Attacke-auf-den-Herzschrittmacher/story/28372909 (abgefragt
am 22. 3. 2017).
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Austrian Law Journal
Band 2/2017
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2017
- Autor
- Karl-Franzens-UniversitÀt Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 108
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal