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Austrian Law Journal, Band 2/2017
Seite - 130 -
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ALJ 2/2017 Gregor Kirchhof 130 Jede Bewertung und auch die steuerlichen Annahmen, dass ein PKW sechs, ein mobiles Telefon fünf und ein Notebook drei Jahre genutzt wird,34 stimmen mit der Realität nicht überein, nähern sich dieser lediglich an. Werden in der Privatsphäre Abzüge zugelassen, nutzt das Recht auch hier Annäherungen.35 Schließlich mündet das Einkommensteuerrecht in zwei groben Typisierungen: im Steuertarif und in den Progressionsgrenzen. Es ist schon erstaunlich, dass das Steuerrecht versucht, die Bemessungsgrundlage mit großem Aufwand genau zu ermitteln, um dann im Ergeb- nis insoweit pauschal zu besteuern. So stehen wir vor einer bemerkenswerten Ambivalenz. Das deutsche Ertragsteuerrecht entschei- det sich zu Recht für den Ausgangspunkt der Ist-Besteuerung. Diese Grundentscheidung wird aber durch zahlreiche Elemente der Soll-Besteuerung verwirklicht. Das Ergebnis ist ein kaum stringentes unübersichtliches Mischsystem. Diese Mischung ist zu rationalisieren und zum Sys- tem zu machen. Der Ausgangspunkt ist und bleibt die Ist-Ertragsbesteuerung. Sodann werden noch mehr Tatbestände typisiert und pauschaliert. Dann könnte die in Kraft getretene rechnerge- leitete Selbstveranlagung36 gesetzeskonform und gleichheitsgerecht gelingen und der Schritt zu einer vollständig vorausgefüllten Steuererklärung wäre nahe. Zudem würde der digitalisierte Steuerzahler erheblich entlastet. IV. Die kumulative Überbelastung des digitalisierten Steuerzahlers Steuern wollen die öffentliche Hand finanzieren. Diesen im Grunde einfachen Auftrag nutzen die Steuergesetze für eine Kaskade an Lasten. Selbstredend muss jeder seine Steuerschuld beglei- chen. Die Finanzlast rückt aber im Steuerverfahren zuweilen in den Hintergrund, obwohl nur sie den Zweck der Steuern erfüllt, die öffentliche Hand zu finanzieren. Hinzu treten Lenkungswirkun- gen, wenn durch steuerliche Lasten oder Vergünstigungen Verhalten beeinflusst werden soll.37 Deutlich schwerer wiegen die erheblichen Mitwirkungspflichten. Nahezu alle Geldströme, nahezu alle Veränderungen in der Finanzsphäre müssen benannt und auch in ihrer Entwicklung doku- mentiert werden. Die Steuerrechtsordnung zwingt den Steuerpflichtigen jährlich, vierteljährlich oder sogar monatlich zu einer aufwändigen technischen Geschicklichkeitsübung.38 Die Steuer- pflichtigen werden überfordert. pauschalen (§ 9 Abs 4a dEStG), Lohnsteuerpauschalierungen (bei Sachzuwendungen: § 37b dEStG, in besonderen Fällen: § 40 dEStG, für Teilzeitbeschäftige und geringfügig Beschäftigte: § 40a dEStG, bei bestimmten Zukunftssi- cherungsleistungen: § 40b dEStG), Lohnsteuerklassen einschließlich der Zahl der Kinderfreibeträge (§ 38b dEStG), Faktorverfahren anstelle der Steuerklassenkombination III/V (§ 39 f dEStG). 34 Bundesministerium der Finanzen, AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter vom 15. 12. 2000, Pkt 4.2.1, 6.13.2.2 und 6.14.3.2. 35 Privatsphäre – Elemente der Soll-Ertragsbesteuerung: ua Sonderausgaben nach § 10 Abs 1 dEStG (zB Betreu- ungskosten, Z 5; Begrenzung der Berufsausbildungskosten für die Erstausbildung, Z 7; Schulgeld für private Schulen, Z 9), Unterhaltsleistungen (§ 10 Abs 1a Z 1 dEStG), Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Ver- sorgungsleistungen (§ 10 Abs 1a Z 2 dEStG), Spendenabzug (§ 10b dEStG), Sonderausgaben-Pauschalbetrag (§ 10c dEStG), sonstige Begünstigungen nach §§ 10e, 10f, 10g, 10h, 10i dEStG, zumutbare außergewöhnliche Belastun- gen (§ 33 Abs 3 dEStG); siehe insgesamt und zum Existenzminimum: Mellinghoff, Privataufwendungen, in FS P. Kirchhof (2013) § 174 Rz 16 ff. 36 Siehe unter Kap II. 37 G. Kirchhof, Die lenkende Abgabe, Die Verwaltung 2013, 349 ff. 38 Insgesamt Seer, Verständigungen im Steuerverfahren (1996) 1 ff, 179 ff, 225 ff; Müller-Franken, Maßvolles Verwal- ten (2004) insb 135 ff; Birk, Das Gebot des gleichmäßigen Steuervollzugs und dessen Sanktionierung, StuW 2004, 277 ff; Drüen, Die Zukunft des Steuerverfahrens, in Schön/Beck (Hrsg), Zukunftsfragen des Steuerrechts (2009) 1 (18 ff); Drüen, Kooperation im Besteuerungsverfahren, FR 2011, 101 ff; mit Blick auf die Inanspruchnahme Dritter G. Kirchhof, Erfüllungspflichten; Drüen, DStJG 31 (2008) 167 ff; Drüen, Indienstnahme (siehe FN 11).
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Austrian Law Journal Band 2/2017
Titel
Austrian Law Journal
Band
2/2017
Autor
Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgeber
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Ort
Graz
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
19.1 x 27.5 cm
Seiten
108
Schlagwörter
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Kategorien
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