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ALJ 2018 Lando Kirchmair 79
die Verhinderung derartiger Kundgebungen, zu erreichen.65 Dieser Spendenaufruf bestand
darin, jeden von einem Neonazi zurückgelegten Meter bei dem – nur im Datum verlegten und
umbenannten – „Marsch zum Volkstrauertag“ mit 10 € für ein Aussteigerprogramm namens
Exit-Deutschland zu belohnen. Derartige Schritte scheinen – zumindest als begleitende Maß-
nahmen – notwendig, um der Symbolik dieser Orte beizukommen. Jedoch fand wiederum eine
Versammlung Rechtsextremer in Wunsiedel statt. Zentral ist jeweils nicht zwangsläufig ein
Objekt, sondern es reicht auch ein Ort für die negative Symbolwirkung. Dieses Beispiel zeigt,
wie schwierig es sein kann, eine derartige negative Symbolik aufzulösen und in etwas Positives
zu transformieren.
Vergleichbar ist außerdem die Kleinstadt Predappio in Italien. Der Kult am Geburtsort und der
Grabstätte Mussolinis muss zu denken geben.66 Der Bürgermeister der Stadt, Giorgio Frassineti,
stellt sich klar gegen den bizarren Kult rund um die faschistischen Souvenirshops in der kleinen
Stadt: „Wir können das Narrativ des Dorfes Predappio nicht länger den Souvenirshops überlassen […],
diese Art der ‚kommerziellen’ Verwendung der öffentlichen Erinnerung erscheint aus dem Kontext geris-
sen und fokussiert auf Regime-Nostalgie“.67 Ein Museum, welches kritische Reflexion ermöglichen
und falsche Geschichtsschreibung verhindern soll, ist aktuell in Planung.68
Klar ist allerdings auch, dass es wahrscheinlich nicht besonders wirksam wäre, irgendwo in der
Salzburger Vorstadt in Braunau ein anderes Haus zu kaufen bzw anzumieten, um sich dort einer
kritischen Reflexion zu bemühen. Die Symbolik ist eben genau mit dieser Immobilie in der Salz-
burger Vorstadt 15 verbunden. Trotzdem muss kritisch angemerkt werden, dass das Unterfan-
gen, die Deutungshoheit wieder zu erlangen, äußerst schwierig ist und eben, wie aufgezeigt wur-
de, keineswegs mit einem simplen Infrastrukturprojekt verglichen werden kann. Das heißt, selbst
die Enteignung ist kein Garant dafür, dass Braunau als Pilgerstätte für Anhänger nationalsozialis-
tischen Gedankengutes passé ist. Untätigkeit der Republik Österreich ist allerdings auf Grund der
zuvor aufgezeigten Bundesverfassungsbestimmungen und dem in dem Enteignungsverfahren
artikulierten öffentlichen Interesse keine Option. Insofern gehandelt wird, ist eine Option ohne
eben dieser Immobilie nur schwer vorstellbar.
Das vage öffentliche Interesse ist allerdings auch bei der schwierig zu beurteilenden Eignung des
Objektes problematisch. Während aktuell die Eignung für das gesetzte zweigliedrige Ziel der Ver-
hinderung von Missbrauch und der positiven Umkehrung der Symbolik grundsätzlich mit dem
Objekt verbunden sind, wird erst die Zukunft zeigen, ob die Enteignung tatsächlich dafür geeignet
ist, dies zu erreichen. Das bedeutet, dass nicht nur das Eigentum an der Immobilie, sondern vor
allem dessen zukünftige Nutzung für die Erreichung des Enteignungszweckes entscheidend ist. Erst
dann kann beurteilt werden, ob das Objekt dazu geeignet ist, den konkreten Bedarf zu decken.
65 Siehe dafür „Neonazis marschieren unfreiwillig gegen Rechts“, Sueddeutsche.de vom 16. 11. 2014, abrufbar
unter http://www.sueddeutsche.de/bayern/aktion-im-bayerischen-wunsiedel-neonazis-marschieren-unfreiwillig-
gegen-rechts-1.2222578.
66 Vgl dazu Bastaroli, Italien: Ein neues Image für den ‚Duce‘-Geburtsort, DiePresse.com vom 5. 8. 2016, abrufbar
unter http://diepresse.com/home/ausland/welt/5063440/Italien_Ein-neues-Image-fuer-den-DuceGeburtsort.
67 Zitiert nach Noiret, Ein Faschismus-Museum an Mussolinis Geburts- und Begräbnisort?, in Public History Weekly 4
(2016) 32 vom 6. 10. 2016, abrufbar unter https://public-history-weekly.degruyter.com/4-2016-32/a-museum-of-
fascism-where-mussolini-was-born-and-buried/.
68 Vgl zur speziellen Situation Italiens auch Ben-Ghiat, Why are so many fascist monuments still standing in Italy?
The New Yorker, 5. 10. 2017, abrufbar unter https://www.newyorker.com/culture/culture-desk/why-are-so-many-
fascist-monuments-still-standing-in-italy?
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Austrian Law Journal
Band 2/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 94
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal