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zugt das Haus „(1) einer sozial-karitativen oder behördlich-administrativen Nutzung“ zuzuführen und
empfiehlt deshalb „(3) eine tiefgreifende architektonische Umgestaltung vorzunehmen, die dem Ge-
bäude den Wiedererkennungswert und damit die Symbolkraft entzieht.“113 Eine zivilgesellschaftliche
Initiative wirbt seit Jahren mit zahlreichen prominenten Unterstützern dafür, das „Geburtshaus
Hitlers“ in ein „Haus der Verantwortung“ nach dem Prinzip Verantwortung von Hans Jonas zu
transformieren.114 Unabhängig davon, welcher Nutzung auch der Vorzug gegeben wird, um dem
Objekt den Wiedererkennungswert und die Symbolkraft zu entziehen, scheint die aktuelle For-
schung zum „politischen Framing“ jedenfalls prädestiniert dafür zu sein, bei der Beantwortung
dieser Frage herangezogen zu werden.115
Einigkeit kann zumindest dahingehend festgestellt werden, dass eine ausschlieĂźlich architektoni-
sche Umgestaltung dieses Ziel nicht erreichen wird. Das bestätigt auch der Vergleich mit anderen
symbolträchtigen Stätten wie bspw dem erwähnten Grab von Rudolf Heß.116 Denn die Symbol-
kraft ist nicht (ausschlieĂźlich) mit einer bestimmten architektonischen Aus- bzw Umgestaltung
des Hauses verbunden. Es ist kein Brachialbau wie bspw das Haus der (deutschen) Kunst in MĂĽn-
chen. Bestimmend für die Symbolträchtigkeit ist nahezu ausschließlich die Geschichte des Hau-
ses; besser gesagt sechs Wochen dieser Geschichte. Der Vorschlag des Abrisses und das Hinter-
lassen einer Leerfläche wurde von der Expertenkommission erwogen, aber dementsprechend
explizit verworfen: „Österreich [sollte] nicht zugesonnen werden, die Geschichte des Ortes leugnen zu
wollen.“117 Ähnlich gestaltet sich dies wohl mit Untätigkeit. Dies würde nicht nur dem Enteig-
nungszweck zuwiderlaufen.
113 Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers. Interessant könnte in diesem
Zusammenhang – trotz aller Unterschiede – der Vergleich mit dem Dokumentationszentrum-Reichspartei-
tagsgelände in Nürnberg und der architektonischen Aus- bzw Umgestaltung der Kongresshalle sein; siehe dazu
http://museen.nuernberg.de/dokuzentrum/das-dokuzentrum/architektur/. Sowie auch die diesbezĂĽgliche Be-
schreibung des Umgangs mit dem Reichsparteitagsgelände nach 1945 („In den ersten Jahrzehnten nach 1945
mischten sich Ratlosigkeit, Ignoranz, Verdrängung und ein schlichter Pragmatismus.“) und die darauf folgenden Maß-
nahmen sowie zukünftige Nutzungspläne, einsehbar unter https://museen.nuernberg.de/dokuzentrum/themen/
das-gelaende/kuenftiger-umgang-mit-dem-reichsparteitagsgelaende/?pk_campaign=Teaser&pk_kwd=zep-
pelintribuene; ebenso kann auf das NS-Dokumentationszentrum in MĂĽnchen verweisen werden, das am 30. 4.
2015 zum 70. Jahrestag der Befreiung in der ehemaligen NSDAP-Parteizentrale errichtet wurde. Siehe dazu
https://www.ns-dokuzentrum-muenchen.de/home/; sowie insbesondere zur Vorgeschichte https://www.ns-
dokuzentrum-muenchen.de/zentrum/vorgeschichte/ und zur Architektur https://www.ns-dokuzentrum-
muenchen.de/zentrum/architektur/. Siehe zum Thema allg Hammermann/Riedel, Sanierung – Rekonstruktion –
Neugestaltung: Zum Umgang mit historischen Bauten in Gedenkstätten (2014); sowie zum Reichsparteitagsge-
lände sowie der Kongresshalle in Nürnberg insbesondere Schmidt, Das bröckelnde Gedächtnis der Orte: Umbau,
Erhalt oder Verfall von NS-Bauten in Flossenbürg und Nürnberg, in Hammermann/Riedel (Hrsg), Sanierung – Re-
konstruktion – Neugestaltung: Zum Umgang mit historischen Bauten in Gedenkstätten (2014) 118–133. Siehe al-
lerdings auch die Diskussion um die baufällige Zeppelintribüne und deren teure Sanierung Kellerhoff, Diese Nazi-
Architektur brauchen wir wirklich nicht, Welt.de vom 7. 1. 2015, abrufbar unter https://www.welt.de/geschich
te/zweiter-weltkrieg/article136085538/Diese-Nazi-Architektur-brauchen-wir-wirklich-nicht.html. Vgl ebenso das
Dokumentationszentrum Obersalzberg, welches vom Institut für Zeitgeschichte, München – Berlin im Auftrag
des Freistaats Bayern konzipiert wurde, abrufbar unter https://www.obersalzberg.de/obersalzberg-home.html.
Einer musealen Verwendung wurde von der Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburts-
haus Adolf Hitlers klar entgegengetreten. Eine derartige Verwendung ist in der Tat nicht immer unproblematisch,
vgl dazu nur Schmidinger, Verherrlichendes Museum: Stalins Enkel im Kaukasus, DerStandard vom 22. 8. 2017,
abrufbar unter https://derstandard.at/2000061608552/Verherrlichendes-Museum-Stalins-Enkel-im-Kaukasus.
114 Vgl dazu https://www.facebook.com/houseofresponsibilitybraunau/ bzw http://www.hrb.at/: Die Grundidee
dieser Initiative besteht darin: „Neben der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit soll vor allem die Verantwortung für
die Gegenwart und Zukunft im Mittelpunkt stehen und speziell von Jugendlichen getragen werden.“
115 Bspw Wehling, Politisches Framing.
116 Vgl hierzu oben Text bei FN 61.
117 Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers. Während die ErläutRV zum
EnteignungsG, BT, Zu § 2 (Verpflichtung der Republik Österreich) noch Folgendes wiedergeben: „Dem Erreichen
des Zieles dieses Gesetzesvorhabens sollen auch allfällige Erwägungen, etwa des bundesgesetzlichen Denkmalschutzes,
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Austrian Law Journal
Band 2/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 94
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal