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ALJ 2018 Dual-Use-Verträge 93
A. Autonome Auslegung des Unionsrechts
Der persönliche Anwendungsbereich der VGK-RL bezieht sich auf Verkäufer, die Unternehmer
sind, und Verbraucher als Käufer, die miteinander einen Kaufvertrag schließen (Art 1 Abs 2 lit a, c).
Die VGKL-RL bedient sich einer in verbraucherschützenden Richtlinien gängigen Verbraucherde-
finition28 und umschreibt den Verbraucher als „jede natürliche Person, die im Rahmen der unter
diese Richtlinie fallenden Verträge zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerbli-
chen Tätigkeit zugerechnet werden kann“. Wie Dual-Use-Verträge zu beurteilen sind, regelt die VGK-RL
nicht ausdrücklich.29 Persönliche Definitionskriterien von Verbraucher- und Unternehmerdefiniti-
onen knüpfen an Eigenschaften und Merkmale an. Sie beschreiben die Schutzbedürftigkeit eines
bestimmten Personenkreises und sind Merkmale, die das Rechtssubjekt jederzeit kennzeichnen.
Beispiele sind die Einschränkung des Verbraucherbegriffes auf natürliche Personen oder die
Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe.30 Im Gegensatz dazu stellt das funktionelle
Element nicht auf subjektive Anhaltspunkte, sondern auf den objektiv mit dem Rechtsgeschäft
verbundenen Zweck ab.31 Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage, ob das Handeln zu
unternehmerischem oder privatem Zweck erfolgt. Im Rahmen des funktionellen Elements ist zu
prüfen, wie Verträge mit gemischter Zwecksetzung (Dual-Use-Verträge) zu beurteilen sind.
1. Grammatikalische und historische Auslegung
Nach der grammatikalischen Auslegung schließt ein Handeln zu privaten Zwecken nicht aus, dass
teilweise auch zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken gehandelt wurde. Bei welcher Gewich-
tung nicht mehr von einem Verbrauchervertrag ausgegangen wird, ergibt sich aus dem Wortlaut
nicht.
Fraglich ist, ob aus der historischen Auslegung folgt, dass nur bei ausschließlichem Handeln zu
nicht-beruflichen oder nicht-gewerblichen Zwecken von einem Verbrauchervertrag auszugehen
ist. Im Kommissionsvorschlag zur VGK-RL fand sich die Formulierung, dass ein Verbraucher derje-
nige ist, der „im Rahmen der unter diese Richtlinie fallenden Verträge zu einem Zweck handelt, der
forderungen hin, die auch mit „[m]it dem Rückzug von Privatrecht klassischer Prägung und dem Bedeutungsgewinn
von Kompetenzfragen“ verbunden sind (Wendehorst, Methodenlehre und Privatrecht in Europa, in FS Mayer [2011]
827 ff). Dieser Ansatz hat zwar viel für sich. Hier soll dennoch nach den im Schrifttum entwickelten Grundsätzen
vorgegangen werden.
28 Bspw setzen Art 3 lit a VKr-RL, Art 1 Abs 2 lit a VGK-RL, Art 2 lit b Klausel-RL, Art 2 lit d FernFinanz-RL (RL 2002/65/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 9. 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen
an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und
98/27/EG, ABl L 2002/271, 16), Art 2 lit e E-Commerce-RL (RL 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 8. 6. 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere
des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt [„Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“],
ABl L 2000/178, 1) und Art 2 lit a UGP-RL (RL 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 5.
2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und
Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und
2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) 2006/2004 des Europäi-
schen Parlaments und des Rates [Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken], ABl L 2005/149,22) ein Handeln
zu einem Zweck, der nicht einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, voraus.
29 Dies ebenso nicht im geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über
bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Wa-
ren, zur Änderung der Verordnung (EG) 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtli-
nie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. 10. 2017, COM (2017) 637 final.
30 Denkinger, Verbraucherbegriff (2007) 122 ff.
31 Denkinger, Verbraucherbegriff 122 ff.
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Austrian Law Journal
Band 2/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 94
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal