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ALJ 2018 Katharina Huber 106
vii. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich in der gegenständlichen Untersuchung objektive
Anhaltspunkte für eine Systembildung hinsichtlich ähnlicher Verbraucherbegriffe und einer
rechtsaktübergreifenden Auslegung aufgrund der Kohärenz zwischen der VGK-RL und der VRRL
ergeben haben. Die rechtsaktübergreifende Auslegung hat die Kohärenz im Blick. Die Kohärenz
sollte nicht nur subjektiv und im Einklang mit einem exklusiven subjektiven Auslegungsziel gese-
hen werden, sondern sowohl subjektive als auch objektive Erwägungen berücksichtigen.
Ausgangspunkt der Untersuchung, ob eine Kohärenz und eine Wechselbezüglichkeit zwischen
diesen Rechtsakten besteht, die eine rechtsaktübergreifende Auslegung des Verbraucherbegrif-
fes iSd VGK-RL rechtfertigt, bildet – im Einklang mit der Vereinigungstheorie – der historische
Gesetzgeberwille. Es wurde daher zunächst ein Blick in die Begründungserwägungen geworfen
und nach Hinweisen in den Erwägungsgründen gesucht. ErwGr 17 der VRRL über Dual-Use-
Verträge ist bei der Auslegung des Verbraucherbegriffes iSd Art 2 Z 1 VRRL zu berücksichtigen. Im
gegenständlichen Fall erfolgt keine ausdrückliche Anordnung zur rechtsaktübergreifenden Ausle-
gung und daher bestehen keine subjektiven Anhaltspunkte im Gesetzgeberwillen.
Da aber auch objektive Erwägungen bei der Beurteilung, ob eine Kohärenz bzw Wechselbezüglich-
keit zwischen den Rechtsakten VGK-RL und VRRL in der gegenständlichen Konstellation besteht,
zu berücksichtigen sind, ist nach objektiven Anhaltspunkten für eine Kohärenz zwischen diesen
materiell-rechtlichen Richtlinien zu suchen. Die zeitliche Differenz zwischen der VGK-RL und der
VRRL spricht nicht gegen die rechtsaktübergreifende Auslegung. Angesichts des Zusammenspiels
der rechtsaktübergreifenden Auslegung mit der teleologischen Auslegung sind Wertungen der
Normen oder Rechtsakte und Wertungszusammenhänge der VGK-RL und VRRL miteinzubezie-
hen. IdZ wurde die Referenznorm in der VRRL im Hinblick auf eine Kohärenz mit der auszulegen-
den Norm in der VGK-RL historisch-teleologisch ausgelegt und die inhaltliche Kohärenz zwischen
den beiden Rechtsakten geprüft: Eine zumindest angestrebte Kohärenz zwischen den Richtlinien
belegt der Kommissionsvorschlag zur VRRL, der die VGK-RL gemeinsam mit den Richtlinien, die
durch die VRRL ersetzt wurden, regelte. Eine ausdrückliche Verknüpfung zwischen VRRL und
VGK-RL liegt vor, weil die VRRL die VGK-RL abgeändert hatte. Es besteht auch teils eine inhaltliche
Kohärenz dieser Richtlinien: Die zwei Richtlinien knüpfen zwar überwiegend an unterschiedliche
geschäftliche Anknüpfungsmerkmale an, dennoch erfasst auch die VRRL – wie die VGK-RL –
Regeln des allgemeinen Vertragsrechts. Ferner reflektieren Bestimmungen der VRRL überwie-
gend den Gedanken der Informationsverantwortung. Der Telos der Überwiegensregel lässt sich,
wie sogleich ausgeführt wird, auch auf die VGK-RL übertragen.
3. Teleologische Auslegung
Der Schutz des Schwächeren ist alleine noch keine Rechtfertigung für die Überwiegensregel:
Nach dem effet utile – als einer besonderen Ausprägung der teleologischen Auslegung118 – soll
eine Vorschrift des Unionsrechts so ausgelegt werden, dass deren Wirksamkeit und Effektivität
möglichst – bestmöglich – erreicht wird.119 Im Hinblick auf den inhaltlichen Regelungszweck ist
118 Statt vieler: Riesenhuber in Riesenhuber3 § 10 Rz 45; K. Binder in Rauscher (Hrsg), EuZPR/EuIPR IV4 (2015), Einl
EU-SchutzMVO Rz 78.
119 EuGH 3. 9. 2009, C-489/07, Messner Rz 24; EuGH 25. 10. 2005, C-350/03, Schulte/Badenia Rz 69, EuGH 7. 5. 2002,
C-478/99, Kommission/Schweden Rz 15, 21; EuGH 27. 6. 2000, C-240/98 bis 244/98, Océano Grupo Rz 26; EuGH 8. 10.
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Austrian Law Journal
Band 2/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 94
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal