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ALJ 2018 Olaf Riss 117
Erstens sei es „Aufgabe der Gesetzgebung“, auf soziale und wirtschaftliche Entwicklungen zu
reagieren und neu/nachträglich entstandene Ungleichgewichte zu korrigieren.18
Zweitens besteht nach Ungers plastischer Formulierung Reformbedarf auch hinsichtlich der
(mittlerweile) verfehlten Systematik und des „juristischen Alphabets“. Angesprochen ist damit
also ein Nachziehen in Umsetzung der mittlerweile weiterentwickelten dogmatischen System-
und Begriffsbildung.
Drittens – von Unger allerdings nicht explizit angesprochen – können ältere Gesetzestexte
auch im Hinblick auf sprachliche Verständlichkeit nach Modernisierung verlangen. Hierin liegt
wohl jener Modernisierungsaspekt, der in P. Bydlinskis Forschungsprojekt im Vordergrund
steht. Dass Unger (in der zitierten Passage) dennoch nicht darauf Bezug nimmt, muss freilich
nicht überraschen: Seinerzeit war die sprachliche Ausdrucksform des Gesetzestextes natur-
gemäß noch nicht so stark gealtert wie heute, also über 110 Jahre nachdem Unger die Gründe
für den von ihm konstatierten Reformbedarf benannt hat.
Die damit skizzierte, im Kern auf Ungers Befund zurückzuführende Herangehensweise an das Mo-
dernisierungsvorhaben wirkt – wie man wohl zugeben muss – einigermaßen abstrakt und techno-
kratisch; so etwas bremst womöglich den Enthusiasmus und Tatendrang mancher Beteiligter etwas
ein. Eine solche Kategorienbildung anhand abstrakter Kriterien bringt meines Erachtens allerdings
den Vorteil mit sich, dass den an diesem Forschungsprojekt Beteiligten und Interessierten Anhalts-
punkte zur Orientierung an die Hand gegeben werden, um entscheiden zu können, welche Moder-
nisierungsaspekte in welchem Arbeitsschritt mitbedacht werden sollen und welche nicht. Nützlich
scheint diese Kategorisierung konkret deswegen, weil die in Angriff genommenen Aspekte der Mo-
dernisierung auch vorgeben, welche Modernisierungsmaßnahmen eingesetzt werden müssen. Die
Modernisierung eines Gesetzestextes kann naturgemäß in unterschiedlicher (Eingriffs-)Intensität
unternommen werden: etwa beschränkt auf den bloßen Austausch von Begrifflichkeiten; durch
Umformulierung von Paragrafen; durch die Neuformulierung von Paragrafen; oder durch die Neu-
strukturierung des Gesetzesaufbaus. Wie sich gleich zeigen wird, müssen manche Modernisie-
rungsaspekte mit eingriffsintensiveren Maßnahmen umgesetzt werden als andere.
B. Reaktion auf soziale und wirtschaftliche Entwicklungen
Besonders deutlich erkennbar wird der Konnex zwischen dem konkret verfolgten Modernisie-
rungsaspekt einerseits und den erforderlichen Modernisierungsmaßnahmen andererseits, wenn
auf soziale und wirtschaftliche Entwicklungen reagiert werden soll. Will man diesem Alterungs-
prozess des Gesetzes entgegentreten, bedarf es jedenfalls inhaltlicher Änderungen. Darin liegt
aber eine Modernisierungsmaßnahme, auf die P. Bydlinskis Forschungsprojekt gerade nicht zu-
rückgreifen will.19 Folglich wird die in diesem Forschungsprojekt verfolgte Modernisierung grund-
sätzlich nicht auf soziale und wirtschaftliche Entwicklungen reagieren können.
18 In diesem Sinn auch Schauer, JBl 2012, 27.
19 Oben FN 1 und 2.
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Austrian Law Journal
Band 2/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 94
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal