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ALJ 2018 Modernisierung des ABGB 120
Meines Erachtens schiene es angezeigt, auch hier die mittlerweile anerkannte Systematik auf
begrifflicher Ebene in das Gesetz einfließen zu lassen. Im vorzuschlagenden Textvorschlag sollte
daher vom Erwerb von Eigentum an Sachen oder vom Erwerb von Vermögen gesprochen wer-
den.
In dieselbe Kategorie von Modernisierungsmaßnahmen fällt der Vorschlag, die Begriffe Besitz/
Innehabung und Besitzer/Inhaber im Sinne des heute schärfer differenzierenden Verständnisses
einzusetzen. Auch dazu lassen sich mehrere Beispiele in den §§ 353 bis 379 finden. Zwei davon
seien angeführt:
Originaltext Textvorschlag Alternativen
Was dem Kläger zu beweisen
obliege? Beweislastverteilung Beweis und Beweislast
§ 369. Wer die Eigentumsklage
übernimmt, muß den Beweis
führen, daß der Geklagte die
eingeklagte Sache in seiner
Macht habe, und daß diese
Sache sein Eigentum sei. § 369. Der Kläger hat sein Ei-
gentumsrecht an der Sache und
die Innehabung durch den
Beklagten zu beweisen. § 369. (1) […]
(2) 1Der Kläger hat die Sache zu
individualisieren sowie sein
Eigentumsrecht und die Inne-
habung durch den Beklagten zu
beweisen. […]
Dementsprechend wird in § 369 ABGB die einigermaßen unspezifische Formulierung „in seiner
Macht haben“ im Textvorschlag und im Alternativvorschlag durch den heute mit einem klaren
Bedeutungsinhalt ausgestatteten Begriff Innehabung ersetzt.
Dass es selbst bei solchen fast mechanisch vorzunehmenden Umstellungen bisweilen nicht ein-
fach ist, alle betroffenen Formulierungen zu „erwischen“, zeigen der Textvorschlag und der Alter-
nativvorschlag zu § 378 ABGB:
Originaltext Textvorschlag Alternativen
c) des aufgegebenen Besitzes
der streitigen Sache Besitzaufgabe nach Klagezu-
stellung Aufgabe der Innehabung
nach Klagezustellung
§ 378. Wer eine Sache im Besit-
ze hatte, und nach zugestellter
Klage fahren ließ, muß sie dem
Kläger, wenn dieser sich nicht
an den wirklichen Inhaber hal-
ten will, auf seine Kosten zurück
verschaffen, oder den außeror-
dentlichen Werth derselben
ersetzen. § 378. 1Gibt der Beklagte die
Innehabung einer Sache auf,
nachdem ihm die Herausgabe-
klage zugestellt wurde, muss er
dem Kläger die Sache auf eige-
ne Kosten verschaffen oder
ihren Wert, auch ihren außer-
ordentlichen (§ 305), ersetzen.
2Dies gilt jedoch nur, wenn der
Kläger nicht gegen den nun-
mehrigen Inhaber vorgehen
will. Paragraphenformulierung wie
Textvorschlag.
Während der Text der Bestimmung im Textvorschlag konsequent „Besitz“ gegen „Innehabung“
ausgetauscht hat, spricht die Paragrafen-Überschrift dennoch von der Besitzaufgabe; bei konse-
quenter Begriffsverwendung würde sich hier meines Erachtens die Überschrift „Aufgabe der
Innehabung“ empfehlen.
3. Strukturelle Modernisierungsmaßnahmen
Dass allein schon die Reihenfolge, in der das Gesetz normative Aussagen trifft, viel zur Verständ-
lichkeit beitragen kann, wird kaum jemand bezweifeln. Dennoch ist in P. Bydlinskis Forschungs-
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Buch Austrian Law Journal, Band 2/2018"
Austrian Law Journal
Band 2/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 94
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal