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ALJ 2018 Modernisierung des ABGB 124
gentumsklage gleich in § 366 anzuführen. Dass die Beweislast für diese Voraussetzungen eigens
festgeschrieben wird, scheint nicht unbedingt erforderlich, weil sie der allgemeinen Regel ent-
spricht.26
Im Anschluss an die allgemeinen Voraussetzungen der Herausgabeklage, die allesamt in § 366
ABGB angeführt werden könnten, wären dann die in Betracht kommenden Einwendungen des
Beklagten zu behandeln. Diese Einwendungen können bekanntlich auf einem der folgenden
Umstände beruhen:
nachträgliche Heilung des derivativen Erwerbs vom Nichtberechtigten,
auf einem Recht des Beklagten zur Innehabung oder
auf einem Gutglaubenserwerb.
Für die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen gilt grundsätzlich – mangels besonderer Rege-
lungen – wiederum die allgemeine Beweislastregel, so dass eine ausdrückliche Regelung der
Beweislast auch hier entbehrlich scheint. Nur hinsichtlich einer Tatbestandsvoraussetzung (Red-
lichkeit) besteht eine Beweislastumkehr; es spricht meines Erachtens viel dafür, diese Sonderre-
gel nach Möglichkeit „in der Nähe“ der dazugehörigen Tatbestandsvoraussetzung festzuschrei-
ben.
Das geltende Recht bringt diese eben in Erinnerung gerufene und heute anerkannte Systematik
keineswegs deutlich zum Ausdruck. Aber auch der Alternativvorschlag zu den §§ 368, 369, 370
scheint dies nicht in ganz idealer Weise zu verdeutlichen. Will man im Bereich der §§ 368 ff ABGB
tatsächlich in den Gesetzesaufbau eingreifen, um die Verständlichkeit des Gesetzes unter syste-
matischen Gesichtspunkten zu verbessern, könnte es sich meines Erachtens empfehlen, dabei
folgende Grundsätze zugrunde zu legen:
Zunächst sollten die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen der Eigentumsklage geregelt wer-
den.
Im Anschluss daran sollten die möglichen Einwendungen des Beklagten (Heilung, Recht zum
Besitz, Gutglaubenserwerb) und die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen angeführt sein.
Aussagen zur Beweislast sollten nur dann ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen werden,
wenn sie von der allgemeinen Beweislastregel abweichen. Wird eine Beweislast ausdrücklich
festgeschrieben, die ohnehin allgemeinen Grundsätzen entspricht, bringt dies die Gefahr von
Unsicherheiten bei der Gesetzesauslegung mit sich, weil sich dann die Frage aufdrängt, wes-
halb der Gesetzgeber hinsichtlich eines speziellen Tatbestandsmerkmals die allgemeine Be-
weislast ausdrücklich regelt, hinsichtlich anderer aber nicht.27
Abweichungen von der allgemeinen Beweislastverteilung (Beweislastumkehr) sollten in un-
mittelbarem Kontext mit dem davon betroffenen Tatbestandsmerkmal festgeschrieben sein.
26 § 369 Abs 2 S 2 des Alternativvorschlags („Gelingt dies, kann der Beklagte den Beweis führen, dass er dem Kläger
gegenüber ein Recht zur Innehabung hat.“) könnte mE daher entfallen.
27 Dem Gesetzgeber darf nämlich niemals – zumindest nicht im Rahmen der Methodenlehre – unterstellt werden,
dass er unanwendbare oder sonst zwecklose Bestimmungen erlässt. Statt aller nur F. Bydlinski, Juristische Me-
thodenlehre und Rechtbegriff2 (1991) 444 bei FN 73, und Koziol, Glanz und Elend der deutschen Zivilrechtsdog-
matik: Das deutsche Zivilrecht als Vorbild für Europa? AcP 2012, 1 (29: Es sollte nicht Schizophrenie als Normal-
zustand des Gesetzgebers unterstellt werden).
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Austrian Law Journal
Band 2/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 94
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal