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ALJ 2018 Olaf Riss 135
signifikant auf die Lesbarkeit/Verständlichkeit des Rechtstextes auswirkt, müssten letztlich aber
wohl Sprachwissenschafter beurteilen.
4. Verweise – ja oder nein?
Auch über die Grenze, die zwischen Juristen und Sprachwissenschaftern verläuft, hinweg können
die Vorstellungen von Textverständlichkeit und Lesbarkeit erheblich differieren. Das zeigt sich an
der Frage, ob ein Rechtstext Verweise auf andere Rechtstexte enthalten soll. In der Sprachwis-
senschaft steht man (Quer-)Verweisen auf andere Rechtstexte skeptisch gegenüber:53 Durch das
Weglassen verbessere sich die Lesbarkeit. Teilweise sieht aber auch die rechtswissenschaftliche
Literatur54 Verweise innerhalb eines Gesetzes oder auf andere gesetzliche Regelungen als eine
„äußerst“ problematische Technik mit negativen Folgeproblemen an, die daher nur mit Vorsicht
verwendet werden sollte. Unger etwa hat den Umstand, dass Verweise auf andere Gesetzesstel-
len nur selten und nur in bescheidenem Umfang vorkommen, als einen der Vorzüge des ABGB
gerühmt, weil dadurch das Verständnis erleichtert sei.55
Auch die „Legistischen Richtlinien“ im Handbuch der Rechtssetzungstechnik56 stehen dem Einsatz
von Verweisen eher zurückhaltend gegenüber: Verweisungen sind nur dann vorzusehen, wenn
dadurch gegenüber der inhaltlichen Wiedergabe der Rechtsvorschrift eine wesentliche Vereinfa-
chung erzielt werden kann und die Verständlichkeit nicht beeinträchtigt wird.
Ein Indiz dafür, dass sich Querverweise in Rechtstexten negativ auf die Verständlichkeit auswir-
ken, findet man schließlich auch in der Rechtsprechung zum Transparenzgebot des § 6 Abs 3
KSchG; nach dieser Bestimmung ist die Verständlichkeit eines Rechtstextes ausnahmsweise sogar
normativ relevant. Nach der Rechtsprechung des OGH führt ein Querverweis in einem Klausel-
werk per se noch nicht zur Intransparenz, allerdings könne im Einzelfall unklar sein, welche
Rechtsfolgen sich aus dem Zusammenwirken der aufeinander bezogenen Bestimmungen erge-
ben.57
P. Bydlinski58 spricht sich dafür aus, die im ABGB bis dato nur spärlich anzutreffenden internen
und externen Verweise zu vermehren. Dementsprechend finden sich in den Textvorschlägen und
Alternativvorschlägen zu den §§ 353 bis 379 an zahlreichen Stellen neu in den Gesetzestext auf-
genommene Verweise.
53 Muhr in Blachut, Sprachwissenschaft 318.
54 Öhlinger in Öhlinger, Recht und Sprache 30.
55 Unger, GrünhutsZ 31, 390 = Separat-Abdruck 2.
56 Oben FN 35.
57 RIS-Justiz RS0122040; in letzter Zeit etwa OGH 6 Ob 120/15p (Klausel 56).
58 ÖJZ 2015, 871.
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Austrian Law Journal
Band 2/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 94
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal