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ALJ 2021 Redintegration 167
weist eingangs auf das Rechtsprinzip hin, wonach die Parteien von einem Kaufvertrag
oder einer durch Konsens abgehen können,118 solange der jeweilige Vertrag
noch (gleichbedeutend: ) ist. Daran anknüpfend schildert der Jurist
die weitergehende Ansicht seines Zeitgenossen zu folgendem Fall: Der Verkäufer
schloss mit eine ab und hatte seine Sachleistungspflicht bereits erfüllt.
Später traf er mit eine Aufhebungsabrede. Sie wurde vereinbart 1) nachdem die
Sachleistung erbracht hatte und 2) als den Kaufpreis noch schuldete.119 Der Inhalt der
Vereinbarung ist in der Periode referiert: Demnach sollte die
Zahlungspflicht nicht durch Abschluss der Vereinbarung selbst, sondern erst durch Rückgabe
der Sachleistungen entfallen.120 Sie stellt eine Potestativbedingung für die aufhebende
Wirkung der Abrede dar.
Diese Funktion verdeutlicht die anschließende Passage . Sie referiert nicht
den Inhalt der , sondern veranschaulicht deren Rechtswirkungen für den Fall, dass
die Sachleistungen tatsächlich restituieren sollte.121 Diesfalls schuldet er den Kaufpreis
nicht mehr ( ). Mit diesem AcI122 gibt die gutachterliche
Entscheidung von wörtlich wieder. Auch die nachfolgende Begründung
ist noch Teil der direkten Rede.123 Darin spricht sich gegen ein formales
Verständnis der Kategorie aus, und befürwortet die Möglichkeit, diesen Zustand
durch Rückgabe der Sachleistung wiederherzustellen.124 Als Stütze für diese Ansicht dient
ihm das Prinzip von Treu und Glauben.
Der Schlusssatz rell enthält einen Hinweis zur Rechtsnatur der
Aufhebungsvereinbarung. Sie stellt dem Konträraktsdenken der römischen Juristen
entsprechend eine Aufhebungsvereinbarung dar; nicht mehr. Neue klagbare
Verbindlichkeiten sollen nicht begründet werden. Demnach kann der Verkäufer von
118 Der Passus lässt sich kaum plausibel deuten. Allen voran dürften damit nicht
angesprochen sein. Zwar war auch bei deren Aufhebung die Frage, ob der Vertrag noch ist, von Relevanz (Gai
3,159). Allerdings erfolgt die Auflösung nicht konsensual, sondern durch einseitigen Widerruf durch den Mandanten. Eine
Auflösungsabrede ist für das Mandat in den Quellen nicht bezeugt ( , Contrarius consensus 132). Man wird den Passus
daher mit der üA als justinianische Interpolation zu tilgen haben (s neben den Nachw in
FN 115 bspw noch , Synallagma 77 FN 44).
119 Arg: mit , Contrarius consensus 49 gegen , SZ 42, 98. Letzterer geht davon aus,
dass die Aufhebungsvereinbarung erst nach Rückgabe der Kaufsache an getroffen worden wäre, was jedoch nicht zum
überbrachten Inhalt der Vereinbarung passt (dazu sogleich im Fließtext).
120 Das ergibt sich aus dem konditional zu lesenden und aus dem davon
abhängigen Relativsatz .
121 Ebenso bspw , SZ 44, 17 f. Allerdings betont der Autor wohl zu Unrecht, dass die tatsächlich erfolgte Rückgabe der
122 / ,
Digesta15 61:
123 Demnach ist der Wechsel in die direkte Rede kein zwingendes Interpolationsindiz.
124 Diese Begründung wird in der Sekundärliteratur unterschiedlich gewürdigt: Kritisch äußert sich zB , Über die
Wechselbeziehung zwischen dem Rechtsbegründungs-
, SZ 42, 99 f. Demgegenüber erachten , SZ 44, 15 f, 59; , Contrarius
consensus 46 f; , Opera Neratii 71 und , Das Römische Privatrecht II² (1975) 443 FN 43 die Argumentation als
plausibel.
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Austrian Law Journal
Band 2/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 48
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal