Seite - 173 - in Austrian Law Journal, Band 2/2021
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ALJ 2021 Redintegration 173
2. Zum Verhältnis zwischen Vertrauensschutz und Wahrung des
Äquivalenzprinzips
164 präsentiert seine Lehre als sachgerechten Mittelweg zwischen Willens- und
Erklärungstheorie, die den Vorzug aufweise, dem Äquivalenzprinzip gebührend Rechnung zu
tragen. Letzteres wird im ABGB va durch die und den Wuchertatbestand
gewahrt. Führt man sich die Rechtsfolgen dieser Institute vor Augen nämlich das Recht zur
Vertragsanfechtung einerseits (§ 934 ABGB) und die Sanktion der relativen Nichtigkeit
andererseits (§ 879 Abs 2 Z 4 ABGB) , zeigt sich jedoch Folgendes: Nicht nur die
Möglichkeiten, dem tatsächlichen Willen des Irrenden zum Durchbruch zu verhelfen oder das
Vertrauen des anderen Teils auf das Geschäft zu schützen, schließen sich wechselseitig aus;
auch zwischen der Wahrung des Äquivalenzprinzips und dem Vertrauensschutz des
- -Relation.
Der Gesetzgeber löst das Verhältnis folgendermaßen auf: Willigt jemand in einen Vertrag ein,
bei dem der gemeine Wert der Gegenleistung zur Zeit des Abschlusses nicht einmal die Hälfte
des Werts der eigenen Leistung beträgt,165 schlägt das durch: Der
Verkürzte kann den Vertrag allein wegen der Äquivalenzstörung mit dinglicher166 -
Wirkung anfechten (§ 934 ABGB); sofern er sich nicht aus freien Stücken und (!) in positiver
Kenntnis des Wertmissverhältnisses zum nachteiligen Geschäft entschieden hat (§ 935 Fall 2
ABGB),167 bzw ein anderer Ausschlussgrund des § 935 ABGB vorliegt.168 Das Vertrauen des
Verkürzenden auf das Geschäft wird so wie es vereinbart wurde nicht geschützt. Er kann
den Vertrag jedoch aufrechterhalten, indem er bis zum gemeinen Wert der Gegenleistung
aufzahlt (§ 934 Satz 2 ABGB).169
164 Privatautonomie 181.
165 Ausführlich zur Berechnung der Verkürzung: , Wert und Preis im Zivilrecht (2008) 43 ff; in
ABGB4 (2018) § 934 Rz 28-81.
166 Dass die Laesionsanfechtung dinglich wirkt, entspricht mittlerweile gesicherter Rsp: s OGH 2 Ob 522/95 JBl 1998, 41
( , der den Bruch mit der älteren Rsp aufzeigt und die dingliche Rückwirkung der
2 Ob 325/98b JBl 1999, 537 ( ); 7 Ob 251/02s JBl 2004, 252; 10 Ob 77/06f bbl 2007, 117. Für dingliche Rückwirkung
der Anfechtung (in Abkehr von seiner ursprünglichen Ansicht) nunmehr auch in Rummel/Lukas ABGB4 (2018)
§ 934 Rz 111-116.
167 Ausführlich zu diesem umstrittenen Ausschlussgrund der Leasionsanfechtung zuletzt , Laesio enormis (2019) 147-
166; , Irrtum über den wahren Wert als Tatbestandsmerkmal der laesio enormis? JBl 2019, 65 (passim). Demgegenüber
folgern Rsp (grundlegend OGH 1895/11315 JBl 1896, 256; aus jüngerer Zeit zB 3 Ob 520/94 SZ 68/152) und üL aus § 935
Fall 2 ABGB, dass die einen Irrtum des Verkürzten über den Wert (zumindest) einer der beiden
Vertragsleistungen erfordere, wobei der Irrtum nicht nur in einer unrichtigen Vorstellung bestehen könne; es genüge, wenn
der Verkürzte bei Vertragsschluss gar keine Wertvorstellung hatte ( , Die Stellung der laesio enormis im
Vertragsrecht, JBl 1983, 410 [413 f, 417 f]; in KBB6 § 934 ABGB Rz 2; , Wert 52; , Ist die Regelung der
Glücksverträge im ABGB noch zeitgemäß? In FS 200 Jahre ABGB II [2011] 1291 [1299]; uva; gegen die üL vor bereits
, JBl 1998, 46; in Rummel/Lukas ABGB4 § 934 Rz 115).
168 Näher zu diesen in Rummel/Lukas ABGB4 § 935 Rz 16-29; zum Ausschluss der Anfechtung von Vergleichen
wegen (§ 1368 ABGB) bereits oben Pkt II.B.
169 Näher zu dieser Aufzahlungsbefugnis des Verkürzenden: in Rummel/Lukas, ABGB4 § 934 Rz 94-110
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Austrian Law Journal
Band 2/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 48
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal