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ALJ 2021 Kepplinger 178
B. Kritik an der Redintegrationsmöglichkeit bei unentgeltlichen
Geschäften
1. Keine partielle Befürwortung der Redintegration
Fragwürdig scheint jedoch These, wonach die Vertrauenstheorie bei
unentgeltlichen Geschäften durch eine Redintegrationsmöglichkeit in Richtung
Willenstheorie aufzulockern sei. Die Rechtsfigur der Redintegration fand keinen Eingang ins
ABGB.197 Die Entscheidung des Gesetzgebers für eine bloß partielle Kodifikation von
irrtumsrechtlicher -Lehre ist mE
. Zwar haben die Ausführungen im HHB hier geringere Aussagekraft, weil Teile
der Lehre vor der III. TN für unentgeltliche Geschäfte eine Irrtumsanfechtung ohne Erfüllung
des Tatbestands von § 871 bzw § 876 aF ABGB bejahten.198 Auf Basis dieser kritikwürdigen
Deutung von § 901 Satz 3 ABGB stellte sich die Frage, ob bei unentgeltlichen Geschäften
ausnahmsweise Redintegration zu befürworten ist, nicht. Aber selbst wenn die Mitglieder der
Kommission für Justizgegenstände von dieser Prämisse ausgegangen sein sollten, was sich
nicht eruieren lässt, würde das nicht dazu berechtigen, eine vom Gesetzgeber abgelehnte
Rechtsfigur für unentgeltliche Geschäfte zu bejahen, zumal das zentrale Argument des
199 Raum für Zweifel lässt.
2. Zum Vertrauensschutz der Begünstigten
Die Vertrauenstheorie wird für unentgeltliche Geschäfte durch die Beachtlichkeit von
Motivirrtümern unbestritten aufgeweicht. Ob das Gesetz den Vertrauensschutz zugunsten
einer stärkeren Berücksichtigung des irrtumsfreien Willens des Altruisten auflockert,
scheint jedoch eher fraglich: Die dafür gesamtanalogieartig ins Treffen geführten
Bestimmungen200 stützen diese Annahme nicht.
Dabei fällt zunächst auf, dass eine Reihe von Normen gar
, sondern eine Interessenabwägung zu einem außenstehenden Dritten
betreffen: So schützt § 367 ABGB zwar tatsächlich bloß das Vertrauen entgeltlich
Erwerbender auf die Wirksamkeit ihres Erwerbs; aber nicht in Relation zum Willensschutz des
Vertragspartners, sondern bzgl der Frage, ob der Erwerber vom Nichtberechtigten originär
Eigentum erlangt, wodurch der tatsächliche Eigentümer sein Recht verlöre.201 Auch § 373
197 Siehe dazu oben Pkt III.E.
198 Diese Position wurde soweit rekonstruierbar von (Rez Hasenöhrl: Das österr Obligationenrecht, Grünhuts
erlaubt, an dieser Stelle die Bemerkung zu machen, dass die in den §§. 871 ff. ausgesprochenen Grundsätze bei
Schenkungen eine wesentliche Modification erleiden müssen: Denn wenn sogar schon ein Irrthum in den Motiven im Sinne
des § 901 b.G.B. geeignet ist, eine Schenkung unwirksam zu machen, so muss doch eine Schenkung der rechtlichen
Wirksamkeit um so mehr dann entbehren, wenn sich der Schenkgeber in einem wesentlichen Irrthum im Sinne des §. 871
befunden hat, selbst wenn dieser Irrthum nicht vom Geschenknehmer herbeibeführt worden ist und dem Letzteren auch
, Ueber den Einfluss des wesentlichen Irrthums auf Verträge,
und , Irrthumslehre 228 ff (von ihm stammen die meisten der oben unter Pkt V.A.1. referierten Argumente, die bis
heute wiederholt werden); anders jedoch / , System des österr allgemeinen Privatrechts I³ (1899) 272.
199 , Irrtumsanfechtung 129.
200 Siehe oben Pkt V.A.1.
201 Anschaulich zur Konzeption von § 367 ABGB: in , ABGB-ON1.05 (2020) § 367 Rz 1-3.
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Austrian Law Journal
Band 2/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 48
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal