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Austrian Law Journal, Band 3/2017
Seite - 163 -
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ALJ 3/2017 Helmut Koziol 163 unentrinnbare Tatsache angesprochen werden, dass es keinem Gesetzgeber möglich ist, in die Zukunft zu sehen, die Entwicklungen im gesellschaftlichen und technischen Bereich vorauszuah- nen und für das Unerkannte vorzusorgen. Ein Gesetzgeber, der dies dennoch versucht, ist daher letztlich zum Scheitern verurteilt und er könnte Abhilfe nur durch in kurzen Abständen erfolgende Novellierungen schaffen, wenn er der wenig attraktiven Alternative von nicht sachgerechten Ent- scheidungen von Einzelfällen oder schlichter Missachtung des Gesetzes entkommen will. Es ist jedoch erfahrungsgemäß politisch gar nicht möglich, den Gesetzgeber – insb im Bereich des Zivil- rechts – zu den nötigen Anpassungen zeitgerecht zu bewegen, da er weitgehend von politischen Zwängen und daher auch politischem Opportunismus gelenkt wird. Die notwendigen Weiterent- wicklungen könnte nur die Rechtsprechung leisten, in legitimer Weise allerdings nur dann, wenn ihr der Gesetzgeber den nötigen Spielraum eingeräumt hätte. Es ist auf der anderen Seite aber auch zu betonen, dass nicht nur die starren Regelungen des BGB, sondern auch die elastischen Formulierungen von § 1295 ABGB, Art 1382 Code civil und ähnlicher Normen ihre ganz erheblichen Schattenseiten haben: Sie räumen zwar zB ausreichend Spielraum für die Lösung der Frage ein, wann reine Vermögensschäden zu ersetzen sind, da ja jedermann vom schuldhaften Schädiger Ersatz begehren kann. Die entscheidende Frage, wel- chen Schutz reine Vermögensinteressen genießen und wann die Herbeiführung reiner Vermö- gensschäden rechtswidrig ist, wird jedoch in keiner Weise beantwortet. Es kann lediglich gesagt werden, dass dem Wortlaut nach die Möglichkeit besteht, auch Ersatz für reine Vermögensschä- den zu erlangen, allerdings aus dem Gesetz nicht ablesbar ist, unter welchen Voraussetzungen. Damit scheint es, dass der Unterschied zwischen den beiden Methoden recht harmlos klingend so formuliert werden könnte: Im Bereich des BGB, das strikte Regeln bevorzugt, muss man sich um die Ausweitung zu enger Normen bemühen, unter den elastischer formulierten Kodifikatio- nen hingegen um die einengende Konkretisierung. Diese entgegengesetzten Aufgabenstellungen zeitigen jedoch keineswegs gleichermaßen harmlose Folgen: Der deutsche Richter muss nämlich zur Erreichung des gewünschten Zieles unter Verstoß gegen alle methodischen Prinzipien den klaren, festen Wortlaut des Gesetzes missachten, den eindeutigen Willen des Gesetzgebers bei- seiteschieben und damit auch gegen die Grundsätze der Gewaltenteilung zwischen Gesetzge- bung und Rechtsprechung verstoßen. Der französische oder österreichische Jurist bewegt sich hingegen innerhalb des Gesetzes und nützt die ihm vom Gesetzgeber (siehe §§ 6 und 7 ABGB) eröffneten Möglichkeiten der Auslegung, Analogie und teleologischen Reduktion in methodisch einwandfreier Weise. Die elastischeren Normen begünstigen daher ganz allgemein die Bereit- schaft, das Gesetz und die aus ihm ableitbaren Wertungen zu beachten. Es bleibt jedoch der erhebliche Nachteil der elastischen Normierungen, dass den Gerichten damit häufig ein allzu weiter Spielraum eingeräumt wird. Wie groß dieser ist, zeigt sich nicht nur in der trotz identischer Ausgangslage unterschiedlichen Entwicklung in Frankreich und Belgien, sondern etwa auch darin, dass die französischen schadenersatzrechtlichen Regeln zwar weitgehend de- nen des ABGB gleichen, das französische Schadenersatzrecht jedoch heute grundlegend anderen Regeln folgt als das österreichische Schadenersatzrecht, aber auch andere Lösungen vorsieht als zur Zeit der Einführung des Code civil.11 Bedenkt man, dass der Gesetzgeber eine Leitungsaufgabe 11 Ausführlicher Koziol, Tort Liability in the French ‚Civil Code‘ and the Austrian ‚Allgemeines Bürgerliches Gesetz- buch‘, in Fairgrieve (Hrsg), The Influence of the French Civil Code on the Common Law and Beyond (2007) 261; Koziol in FS 200 Jahre ABGB I 471 ff.
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Austrian Law Journal Band 3/2017
Titel
Austrian Law Journal
Band
3/2017
Autor
Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgeber
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Ort
Graz
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
19.1 x 27.5 cm
Seiten
66
Schlagwörter
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Kategorien
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