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ALJ 3/2017 Das bewegliche System 178
ABGB für die Haftung mehrerer Täter bei potenzieller Ursächlichkeit. Entsprechendes wird hin-
gegen nicht vertreten, wenn im Bereich der Verschuldenshaftung unsicher ist, ob das fĂĽr die Haf-
tung in Betracht kommende Verhalten sorgfaltswidrig oder schuldhaft war. Es stellt sich die Frage,
warum jemand, der die fĂĽr die Bejahung der Rechtswidrigkeit oder des Verschuldens entschei-
denden Tatsachen nur mit einer unterhalb des RegelbeweismaĂźes liegenden Wahrscheinlichkeit
darlegen kann, nicht auch stets einen der Wahrscheinlichkeit entsprechenden Anteil seines erlitte-
nen Schadens erhalten sollte  59.
Dass sich dafĂĽr keine Anhaltspunkte in den Rechtsordnungen finden und diese Ansicht auch
sonst nicht vertreten wurde, hat aber wohl einen guten Grund: In den Verursachungsfällen steht
fest, dass der zur Teilhaftung Herangezogene jedenfalls eine Handlung gesetzt hat, die fĂĽr die GĂĽter
des Geschädigten in hohem Maße konkret gefährlich war und ihm wegen ihrer Rechtswidrigkeit
und Schuldhaftigkeit zurechenbar ist. Er hat daher jedenfalls in verantwortlicher Weise die Schaf-
fung einer unaufklärbaren Situation zu verantworten. Geht es hingegen um die Rechtswidrigkeit
und Schuldhaftigkeit, so steht nicht einmal fest, dass den Belangten eine Verantwortlichkeit trifft;
ihm kann daher gerade nicht die Unaufklärbarkeit der Situation zugerechnet werden.60
Damit zeigt sich, dass die Rechtsordnung nicht schlechthin durch eine Proportionalhaftung ĂĽber
alle beliebigen Beweisschwierigkeiten, hier bezüglich der Sorglosigkeit, hinweghilft, sondern –
unter Berücksichtigung der Basiswertung – stets einen Ausgleich für die Schwäche des einen
Haftungselements durch ein zusätzliches Element oder die stärkere Ausprägung eines jedenfalls
erforderlichen Zurechnungsgrundes vorsieht. Anhaltspunkte dafĂĽr, dass wegen der Beweis-
schwäche für einzelne Haftungsvoraussetzungen schlechthin stets eine entsprechende Senkung
des Ersatzes zu erfolgen hat, also stets eine Haftung proportional zur Schwäche der Haftungs-
grĂĽnde eingreift, finden sich in unserer Rechtsordnung somit sicherlich nicht und eine derartige,
der erkennbaren Basiswertung widersprechende These wurde bisher auch von niemandem
ernsthaft vertreten. Die Einschränkung der Proportionalhaftung auf die Kausalitätsvoraussetzung
ist daher – wie im folgenden Abschnitt noch näher gezeigt wird – durchaus berechtigt.
B. Das Beispiel der alternativen Kausalität von haftbarmachendem
Ereignis und Zufall
Das Problem der alternativen Kausalität entsteht dann, wenn ein Opfer einen Schaden erleidet,
der entweder durch das Ereignis 1 oder das Ereignis 2 verursacht wurde, jedoch nicht feststellbar
ist, welches der beiden Ereignisse tatsächliche kausal war. Nach deutschem und österreichi-
schem Recht haften die beiden in Betracht kommenden Täter solidarisch, wenn bis auf den
Nachweis der Ursächlichkeit bei beiden Tätern alle Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind. Die
PETL und der österreichische Diskussionsentwurf sehen hingegen eine Teilhaftung vor.61
Im Folgenden wird jedoch nur auf das Sonderproblem eingegangen, dass das Ereignis 1 – wäre
die Kausalität nachweisbar – eine Haftung ausgelöst hätte, das Ereignis 2 hingegen nicht, da es
59 So etwa KleteÄŤka, Alternative Verursachungskonkurrenz mit dem Zufall, JBl 2009, 137 (142).
60 Dazu schon Koziol, Flexibility Instead of the All-or-Nothing Rule, Comparative Stimulations, in Koziol (Hrsg), Com-
parative Stimulations for Developing Tort Law (2015) Topic II/A Rz 13 ff.
61 Dazu Koziol, Grundfragen Rz 5/75 ff.
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Austrian Law Journal
Band 3/2017
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 3/2017
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 66
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal