Seite - 185 - in Austrian Law Journal, Band 3/2017
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ALJ 3/2017 âZusatzprotokolleâ versus âĂnderungsprotokolleâ zur EMRK 185
in einem Kommentar zum Protokoll Nr 15 zur EMRK, in der in einem Satz beide Begriffe parallel
verwendet werden und darauf hingewiesen wird, âdass es sich bei diesem âZusatzprotokollâ, wie
bereits beim 14. Zusatzprotokoll, um ein âĂnderungsprotokollâ handelt, welches den Text der EMRK
abĂ€ndertâ8 (sic). Es herrscht also die Ansicht vor, dass alle bisherigen sechzehn Protokolle zur
EMRK als âZusatzprotokolleâ zu qualifizieren sind, von denen aber einige offensichtlich âĂnderungs-
protokolleâ darstellen (!) â eine flagrante Fehlaussage, die die Unterschiede zwischen den beiden
Instrumenten völlig verwischt und die Konfusion komplett macht. Der Grund fĂŒr diese Fehlbe-
zeichnung liegt offensichtlich darin, dass das Protokoll Nr 1 zur EMRK als Zusatzprotokoll be-
zeichnet wurde und man in der Folge diese Bezeichnung auch fĂŒr die spĂ€teren Protokolle einfach
beibehielt.
In der einschlĂ€gigen Literatur werden die âZusatzprotokolleâ in materiell-rechtliche und verfahrens-
rechtliche Protokolle unterteilt.9 WÀhrend erstere zusÀtzliche oder erweiterte Menschenrechte in
Bezug auf die bereits in der EMRK verbrieften VerbĂŒrgungen enthalten, Ă€ndern letztere hingegen
den Verfahrensablauf vor dem EGMR. Dennoch wird daraus nicht der richtige Schluss bezĂŒglich
deren rechtlicher QualitÀt gezogen. Die, zusÀtzlich zu den bereits in der EMRK verankerten
Schutznormen, verabschiedeten weiteren Menschenrechte werden nicht in die EMRK selbst ein-
gefĂŒgt, sondern in eigenen âZusatzprotokollenâ verankert und deren Ratifikation den Vertrags-
staaten freigestellt. Die verfahrensrechtlichen Protokolle hingegen Àndern das bestehende Pro-
zedere der EMRK selbst ab und mĂŒssen daher als âĂnderungsprotokolleâ von allen Konventions-
staaten ratifiziert werden, um in Kraft treten zu können. Erst diese Unterscheidung wird der un-
terschiedlichen Rechtsnatur beider Protokoll-Typen gerecht.
IV. âZusatzprotokollâ versus âĂnderungsprotokollâ
Mit anderen Worten bedeutet das also: Bei einem âZusatzprotokollâ zur EMRK10 handelt es sich
stets um ein solches, das den Text derselben nicht abÀndert, sondern nur zusÀtzliche Verpflich-
tungen statuiert, die auch regelmĂ€Ăig nicht von allen, sondern nur von einigen Mitgliedstaaten
ĂŒbernommen werden. Es gilt daher auch nur fĂŒr diejenigen Mitgliedstaaten, die es ratifiziert
haben. Im Gegensatz dazu Ă€ndert ein âĂnderungsprotokollâ11 den Text der EMRK selbst und muss
daher von allen 47 Mitgliedstaaten ratifiziert werden.12
Der Grund fĂŒr die Ausbildung dieser beiden unterschiedlichen Instrumente liegt darin, die aus
dem Jahr 1950 stammende EMRK sachgerecht zu âdynamisierenâ und sie damit den geĂ€nderten
sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen des heutigen Menschenrechtsschutzes entsprechend
anzupassen. Sollte dafĂŒr eine Ănderung bzw. ErgĂ€nzung der Konvention selbst erforderlich sein,
muss es zur Verabschiedung und Ratifikation eines âĂnderungsprotokollsâ durch alle Konventions-
staaten kommen. ErklĂ€ren sich aber nicht alle 47 Vertragsstaaten der EMRK mit der Ănderung der
8 15. Zusatzprotokoll zur EMRK, Update vom 29. 11. 2016, Informationsplattform humanrights.ch;
https://www.humanrights.ch/de/internationale-menschenrechte/europarat-abkommen/zusatzprotokolle/zp15/
(abgerufen am 9. 10. 2017).
9 Vgl zB Hummer, âJudicial dialogueâ zwischen EGMR und nationalen Höchstgerichten: Die neue Gutachtenskompe-
tenz des EGMR im Entwurf des Protokolls Nr. 16 zur EMRK, in FS Dauses (2013) 167 (168 f).
10 Als âZusatzprotokolleâ sind die Protokolle Nr 1, 4, 6, 7, 9, 12, 13 und 16 zu qualifizieren.
11 Als âĂnderungsprotokolleâ sind die Protokolle Nr 2, 3, 5, 8, 10, 11, 14 und 15 zu qualifizieren.
12 Diese Regelung darf nicht mit der Bestimmung des Art 41 lit c der Satzung des Europarates (BGBl 121/1956 idgF)
verwechselt werden, gemÀà derer âjedes Ănderungsprotokoll in Kraft tritt, sobald es von zwei Dritteln der Mitglieder
ratifiziert istâ.
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Buch Austrian Law Journal, Band 3/2017"
Austrian Law Journal
Band 3/2017
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 3/2017
- Autor
- Karl-Franzens-UniversitÀt Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 66
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal