Seite - 173 - in Amerika
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Als er zur Besinnung kam, war es um ihn ganz finster, es mochte noch spät
in der Nacht sein, vom Balkon her drang unter dem Vorhang ein leichter
Schimmer des Mondlichts in das Zimmer. Man hörte die ruhigen Atemzüge
der drei Schläfer, die bei weitem lautesten stammten von Brunelda, sie
schnaufte im Schlaf, wie sie es bisweilen beim Reden tat; es war aber nicht
leicht festzustellen, in welcher Richtung die einzelnen Schläfer sich befanden,
das ganze Zimmer war von dem Rauschen ihres Atems voll. Erst nachdem er
seine Umgebung ein wenig geprüft hatte, dachte Karl an sich, und da erschrak
er sehr, denn wenn er sich auch ganz krumm und steif von Schmerzen fühlte,
so hatte er doch nicht daran gedacht, daß er eine schwere blutige Verletzung
erlitten haben könnte. Nun aber hatte er eine Last auf dem Kopf, und das
ganze Gesicht, der Hals, die Brust unter dem Hemd waren feucht wie von
Blut. Er mußte ans Licht, um seinen Zustand genau festzustellen, vielleicht
hatte man ihn zum Krüppel geschlagen, dann würde ihn Delamarche wohl
gerne entlassen, aber was sollte er dann anfangen, dann gab es wirklich keine
Aussichten mehr für ihn. Der Bursche mit der zerfressenen Nase im Torweg
fiel ihm ein, und er legte einen Augenblick lang das Gesicht in seine Hände.
Unwillkürlich wandte er sich dann der Tür zu und tastete sich auf allen
vieren hin. Bald erfühlte er mit den Fingerspitzen einen Stiefel und weiterhin
ein Bein. Das war Robinson, wer schlief sonst in Stiefeln? Man hatte ihm
befohlen, sich quer vor die Tür zu legen, um Karl an der Flucht zu hindern.
Aber kannte man denn Karls Zustand nicht? Vorläufig wollte er gar nicht
entfliehen, er wollte nur ans Licht kommen. Konnte er also nicht zur Tür
hinaus, so mußte er auf den Balkon.
Den Eßtisch fand er an einer offenbar ganz anderen Stelle als am Abend,
das Kanapee, dem sich Karl natürlich sehr vorsichtig näherte, war
überraschenderweise leer, dagegen stieß er in der Zimmermitte auf
hochgeschichtete, wenn auch stark gepreßte Kleider, Decken, Vorhänge,
Polster und Teppiche. Zuerst dachte er, es sei nur ein kleiner Haufen, ähnlich
dem, den er am Abend auf dem Sofa gefunden hatte und der etwa auf die
Erde gerollt war, aber zu seinem Staunen bemerkte er beim Weiterkriechen,
daß da eine ganze Wagenladung solcher Sachen lag, die man wahrscheinlich
für die Nacht aus dem Kasten herausgenommen hatte, wo sie während des
Tages aufbewahrt wurden. Er umkroch den Haufen und erkannte bald, daß
das Ganze eine Art Bettlager darstellte, auf dem hoch oben, wie er sich durch
vorsichtiges Tasten überzeugte, Delamarche und Brunelda ruhten.
Jetzt wußte er also, wo alle schliefen, und beeilte sich nun, auf den Balkon
zu kommen. Es war eine ganz andere Welt, in der er sich nun, außerhalb des
Vorhangs, schnell erhob. In der frischen Nachtluft, im vollen Schein des
Mondes ging er einigemal auf dem Balkon auf und ab. Er sah auf die Straße,
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Buch Amerika"
Amerika
- Titel
- Amerika
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1927
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Kategorien
- Weiteres Belletristik