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Aber dann führte sie diese Drohung nicht aus – was sie ja auch an und für
sich gar nicht imstande gewesen wäre –, Delamarche schien sie aus Furcht,
sie könnte sich erkälten, erfaßt und in die Wanne gedrückt zu haben, denn
mächtig klatschte es im Wasser.
»Das kannst du, Delamarche«, sagte Brunelda ein wenig leiser.
»Schmeicheln und immer wieder schmeicheln, wenn du etwas schlecht
gemacht hast.« Dann war es ein Weilchen still. »Jetzt küßt er sie«, sagte
Robinson und hob die Augenbrauen.
»Was kommt jetzt für eine Arbeit?« fragte Karl. Da er sich nun einmal
entschlossen hatte hierzubleiben, wollte er auch gleich seinen Dienst
versehen. Er ließ Robinson, der nicht antwortete, allein auf dem Kanapee und
begann das große, von der Last der Schläfer während der langen Nacht noch
immer zusammengepreßte Lager auseinanderzuwerfen, um dann jedes
einzelne Stück dieser Masse ordentlich zusammenzulegen, was wohl schon
seit Wochen nicht geschehen war.
»Schau nach, Delamarche«, sagte da Brunelda, »ich glaube, sie zerwerfen
unser Bett. An alles muß man denken, niemals hat man Ruhe. Du mußt gegen
die beiden strenger sein, sie machen sonst, was sie wollen.« »Das ist gewiß
der Kleine mit seinem verdammten Diensteifer!« rief Delamarche und wollte
wahrscheinlich aus dem Waschraum hervorstürzen, Karl warf schon alles aus
der Hand, aber glücklicherweise sagte Brunelda: »Nicht weggehen,
Delamarche, nicht weggehen. Ach, wie ist das Wasser heiß, man wird so
müde. Bleib bei mir, Delamarche.« Jetzt erst merkte Karl eigentlich, wie der
Wasserdampf hinter den Kasten unaufhörlich emporstieg.
Robinson legte erschrocken die Hand an die Wange, als habe Karl etwas
Schlimmes angerichtet. »Alles in dem gleichen Zustand lassen, in dem es
war!« erklang die Stimme des Delamarche. »Wißt ihr denn nicht, daß
Brunelda nach dem Bade noch immer eine Stunde ruht? Elende
Mißwirtschaft! Wartet, wenn ich über euch komme! Robinson, du träumst
wahrscheinlich schon wieder! Dich, dich allein mache ich für alles
verantwortlich, was geschieht. Du hast den Jungen im Zaum zu halten, hier
wird nicht nach seinem Kopf gewirtschaftet. Wenn man etwas will, kann man
nichts von euch bekommen; wenn nichts zu tun ist, seid ihr fleißig. Verkriecht
euch irgendwohin und wartet, bis man euch braucht!«
Aber sogleich war alles vergessen, denn Brunelda flüsterte, ganz müde, als
werde sie von dem heißen Wasser überflutet: »Das Parfüm! Bringt das
Parfüm!« »Das Parfüm!« schrie Delamarche. »Rührt euch!« Ja, aber wo war
das Parfüm? Karl sah Robinson an. Robinson sah Karl an. Karl merkte, daß er
hier alles allein in die Hand nehmen müsse, Robinson hatte keine Ahnung, wo
das Parfüm war, er legte sich einfach auf den Boden, fuhr immerfort mit
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Buch Amerika"
Amerika
- Titel
- Amerika
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1927
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Kategorien
- Weiteres Belletristik