Seite - 7 - in Amok - Novellen einer Leidenschaft
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von den Sternen und das irgendwie aus einem geheimnisvollen Innen zu
brennen schien. Weißer Lack, flimmerten im Monde alle Randlinien des
Schiffes grell gegen das samtdunkle Meer, die Taue, die Rahen, alles
Schmale, alle Konturen waren aufgelöst in diesem flutenden Glanz:
gleichsam im Leeren schienen die Lichter auf den Masten und darüber das
runde Auge des Ausgucks zu hängen, irdische gelbe Sterne zwischen den
strahlenden des Himmels.
Gerade aber zu Häupten stand mir das magische Sternbild, das Südkreuz,
mit flimmernden diamantenen Nägeln ins Unsichtbare gehämmert,
schwebend scheinbar, indes nur das Schiff Bewegung schuf, das leise bebend
sich mit atmender Brust nieder und auf, nieder und auf, ein gigantischer
Schwimmer, durch die dunklen Wogen stieß. Ich stand und sah empor: mir
war wie in einem Bade, wo Wasser warm von oben fällt, nur daß dies Licht
war, das mir weiß und auch lau die Hände überspülte, die Schultern, das
Haupt mild umgoß und irgendwie nach innen zu dringen schien, denn alles
Dumpfe in mir war plötzlich aufgehellt. Ich atmete befreit, rein, und jäh
beseligt spürte ich auf den Lippen wie ein klares Getränk die Luft, die weiche,
gegorene, leicht trunken machende Luft, in der Atem von Früchten, Duft von
fernen Inseln war. Nun, nun zum ersten Male, seit ich die Planken betreten,
überkam mich die heilige Lust des Träumens, und jene andere sinnlichere,
meinen Körper weibisch hinzugeben an dieses Weiche, das mich umdrängte.
Ich wollte mich hinlegen, den Blick hinauf zu den weißen Hieroglyphen.
Aber die Ruhesessel, die Deckchairs waren verräumt, nirgends fand sich auf
dem leeren Promenadendeck ein Platz zu träumerischer Rast. So tastete ich
weiter, allmählich dem Vorderteil des Schiffes zu, ganz geblendet vom Licht,
das immer heftiger aus den Gegenständen auf mich zu dringen schien. Fast tat
es schon weh, dies kalkweiße, grell brennende Sternenlicht, ich aber hatte
Verlangen, mich irgendwo im Schatten zu vergraben, hingestreckt auf eine
Matte, den Glanz nicht an mir zu fühlen, sondern nur über mir, an den Dingen
gespiegelt, so wie man eine Landschaft sieht aus verdunkeltem Zimmer.
Endlich kam ich, über Taue stolpernd und vorbei an den eisernen Gewinden
bis an den Kiel und sah hinab, wie der Bug in das Schwarze stieß und
geschmolzenes Mondlicht schäumend zu beiden Seiten der Schneide
aussprühte. Immer wieder hob, immer wieder senkte sich der Pflug in die
schwarzflutende Scholle, und ich fühlte alle Qual des besiegten Elements,
fühlte alle Lust der irdischen Kraft in diesem funkelnden Spiel. Und im
Schauen verlor ich die Zeit. War es eine Stunde, daß ich so stand, oder waren
es nur Minuten: im Auf und Nieder schaukelte mich die ungeheure Wiege des
Schiffes über die Zeit hinaus. Ich fühlte nur, daß in mich Müdigkeit
[über]kam, die wie eine Wollust war. Ich wollte schlafen, träumen und doch
nicht weg aus dieser Magie, nicht hinab in meinen Sarg. Unwillkürlich
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Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Titel
- Amok
- Untertitel
- Novellen einer Leidenschaft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Kategorien
- Weiteres Belletristik