Seite - 23 - in Amok - Novellen einer Leidenschaft
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von Geheimnis und beladen mit früherer Leidenschaft … wenn eine solche
Frau in den Käfig eines solchen Mannes, einer so vereinsamten, verhungerten,
abgesperrten Menschenbestie frech eintritt … Das … das wollte ich nur
sagen, damit Sie das andere verstehen … das, was jetzt kam. Also … voll von
irgendeiner bösen Gier, vergiftet von dem Gedanken an sie, nackt, sinnlich,
hingegeben, ballte ich mich gleichsam zusammen und täuschte
Gleichgültigkeit vor. Ich sagte kühl: »Zwölftausend Gulden? … Nein, dafür
werde ich es nicht tun.«
Sie sah mich an, ein wenig blaß. Sie spürte wohl schon, daß in diesem
Widerstand nicht Geldgier war. Aber doch sagte sie:
»Was verlangen Sie also?«
Ich ging auf den kühlen Ton nicht mehr ein. »Spielen wir mit offenen
Karten. Ich bin kein Geschäftsmann … ich bin nicht der arme Apotheker aus
Romeo und Julia, der für ›corrupted gold‹ sein Gift verkauft … ich bin
vielleicht das Gegenteil eines Geschäftsmannes … auf diesem Wege werden
Sie Ihren Wunsch nicht erfüllt sehen.«
»Sie wollen es also nicht tun?«
»Nicht für Geld.«
Es wurde ganz still für eine Sekunde zwischen uns. So still, daß ich sie zum
erstenmal atmen hörte.
»Was können Sie denn sonst wünschen?«
Jetzt hielt ich mich nicht mehr.
»Ich wünsche zuerst, daß Sie … daß Sie zu mir nicht wie zu einem Krämer
reden, sondern wie zu einem Menschen. Daß Sie, wenn Sie Hilfe brauchen,
nicht … nicht gleich mit Ihrem schändlichen Geld kommen … sondern
bitten … mich, den Menschen, bitten, Ihnen, dem Menschen, zu helfen … Ich
bin nicht nur Arzt, ich habe nicht nur Sprechstunden … ich habe auch andere
Stunden … vielleicht sind Sie in eine solche Stunde gekommen … «
Sie schweigt einen Augenblick. Dann krümmt sich ihr Mund ganz leicht,
zittert und sagt rasch:
»Also wenn ich Sie bitten würde … dann würden Sie es tun?«
»Sie wollen schon wieder ein Geschäft machen – Sie wollen nur bitten,
wenn ich erst verspreche. Erst müssen Sie mich bitten – dann werde ich Ihnen
antworten.«
Sie wirft den Kopf hoch wie ein trotziges Pferd. Zornig sieht sie mich an.
»Nein, – ich werde Sie nicht bitten. Lieber zugrunde gehen!«
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Buch Amok - Novellen einer Leidenschaft"
Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Titel
- Amok
- Untertitel
- Novellen einer Leidenschaft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Kategorien
- Weiteres Belletristik